Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Stundung bzw. des Erlasses einer Beitragsforderung zur Kranken- und Pflegeversicherung. Ermessen. Unbilligkeit. Verwaltungsakt. Niederschlagung. Verwaltungsinterne Maßnahme. Subjektives Recht. Vorbeugender Rechtsschutz. Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis. Vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit
Orientierungssatz
1. Nach § 46 Abs. 2 SGB 11 können Kranken- und Pflegekassen für Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen.
2. Nach § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 1. HS SGB 4 darf der Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
3. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die Frage, ob der Leistungsträger von dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, ob er sämtliche relevanten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat und ob die von ihm erkennbar zugrunde gelegten Erwägungen zur Frage der Unbilligkeit seine Entscheidung tragen (BSG Urteil vom 9. 2. 1995, 7 RAr 78/93).
4. Ein Erlass kommt dann nicht in Betracht, wenn eine Stundung ausreicht, um der mit der Einziehung der Forderung verbundenen Härte Rechnung zu tragen. Wegen der haushaltsrechtlichen Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit stellt der Erlass eine subsidiäre Entscheidungsmöglichkeit dar.
Normenkette
SGB IV § 76 Abs. 1, 2 S. 1; SGB V § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 188 Abs. 4, § 250 Abs. 2, § 252 Abs. 1 S. 1; SGB XI § 20 Abs. 3, § 46 Abs. 2, § 59 Abs. 4 S. 1, § 60; SGB X § 1 Abs. 2, § 31 S. 1; SGB II § 31a Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.11.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt den Erlass, hilfsweise die Niederschlagung der Forderung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung aus dem Zeitraum vom 01.02.2016 bis zum 31.07.2016.
Der Kläger ist selbstständig tätiger Rechtsanwalt. Er bezieht seit Jahren Arbeitslosengeld II vom Jobcenter C. Für die Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2016 bewilligte das Jobcenter C dem Kläger vorläufige Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen. Während des Leistungsbezugs war der Kläger bei der Beklagten zu 1) gesetzlich krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert.
Mit Bescheiden vom 18.01.2016 und 15.04.2016 stellte das Jobcenter C für die Zeit vom 01.02.2016 bis zum 30.04.2016 und für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.07.2016 einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II des Klägers fest und hob die vorangegangenen Bewilligungsbescheide vollständig auf. Darüber hinaus lehnte es die Gewährung von Gutscheinen oder geldwerten Leistungen ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei seinen in einem Eingliederungsverwaltungsakt auferlegten Bewerbungsbemühungen ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen.
Gegen die Bescheide vom 18.01.2016 und 15.04.2016 legte der Kläger jeweils Widerspruch ein und beantragte vorsorglich die Weiterzahlung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Nach Zurückweisung seiner Widersprüche erhob er gegen die Bescheide in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide jeweils Klage beim Sozialgericht Köln. Über diese Klagen ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren mit dem Ziel, das Jobcenter C zur vorläufigen Weiterzahlung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung zu verpflichten, blieb erfolglos.
Den Wegfall der Leistungen teilte das Jobcenter C der Beklagten zu 1) mit. Mit Schreiben vom 11.03.2016 wandte sich die Beklagte zu 1) an den Kläger, um mit diesem das Versicherungsverhältnis ab dem 01.02.2016 zu klären. Der Kläger reagierte hierauf mit einem Schreiben vom 20.04.2016, indem er unter anderem den Erlass der Beitragsansprüche ab dem 01.02.2016, hilfsweise die unbefristete Niederschlagung von Beitragsansprüchen ab dem 01.05.2014, hilfsweise die Kündigung der Versicherung zum 01.05.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt und hilfsweise die Stundung der Beitragsansprüche ab dem 01.02.2016 ohne Verzinsung und ohne Sicherheitsleistung beantragte.
In einem Schreiben vom 25.04.2016, das die "Techniker Krankenkasse - Fachzentrum Mitgliedschaft/Beiträge" als Absender auswies und die Überschrift "Ihre Beiträge" trug, wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er in der Zeit vom 01.02.2016 bis zum 31.07.2016 in der Krankenversicherung freiwillig und in der Pflegeversicherung pflichtversichert sei. Seine monatlichen Beiträge betrügen seit dem 01.02.2016 135,57 Euro für die Krankenversicherung, 9,68 Euro Zusatzbeitrag und 25,18 Euro für d...