Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine vom Grundsicherungsträger verfügte vorläufige Zahlungseinstellung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dabei ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen und dem Vollzugsinteresse vorzunehmen.

2. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB 2 i. V. m. § 331 Abs. 2 SGB 3 hat der Grundsicherungsträger eine vorläufig eingestellte laufende Zahlung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist. Eine vorläufige Zahlungseinstellung ist ausgeschlossen, wenn das Ruhen oder der Wegfall des Anspruchs von einer Ermessensentscheidung des Leistungsträgers abhängt. Dies ist bei einem Vorgehen nach § 66 Abs. 1 SGB 1 wegen fehlender Mitwirkung des Leistungsempfängers der Fall.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 20.02.2014 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller die im Bescheid vom 13.12.2013 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 771,- EUR monatlich ab dem 01.02.2014 auszuzahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsgegner die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Dem Antragsteller wird ab dem 18.03.2014 Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt und Rechtsanwalt I, F, beigeordnet.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine vom Antragsgegner verfügte vorläufige Zahlungseinstellung nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 331 SGB III.

Seit Januar 2008 bezieht der 1961 geborene Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er schloss am 16.03.2009 mit Frau T einen Mietvertrag über eine Dachgeschosswohnung in dem Haus W 00, F ab. Die Brutto-Warmmiete betrug monatlich 360,- EUR. Sie setzte sich aus einer Grundmiete von 215,- EUR, einer Betriebskostenvorauszahlung von 85,- EUR sowie einer Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser von 60,- EUR zusammen. Frau T ist Miteigentümerin des Hauses, der Miteigentumsanteil wurde ihr im Jahre 2001 von ihren Eltern, dem Ehepaar L, übertragen. Dem Ehepaar L ist ein Nießbrauchsrecht eingeräumt. Das Mehrfamilienhaus verfügt über drei Wohnungen. Die Wohnung im Erdgeschoss wird von dem Ehepaar L, die Wohnung im ersten Stock von Frau T genutzt.

Seit November 2011 übt der Antragsteller eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma X GmbH für ein monatliches Entgelt von 93,50 EUR aus. Im Dezember 2012 übersandte der Antragsteller ein Schreiben von Frau T, wonach die Nebenkostenvorauszahlung 165,- EUR monatlich betrage.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 27.11.2013 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 13.12.2013 dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 30.06.2014 in Höhe von monatlich insgesamt 771,- EUR (391,- EUR Regelbedarf + 380,- EUR Kosten für Unterkunft und Heizung).

Im November 2013 ging beim Antragsgegner eine "Anzeige wegen Sozialbetrugs" ein. Hierin wurde u.a. mitgeteilt, der Antragsteller wohne im Haus seiner Schwiegereltern zusammen mit seiner Verlobten, Frau T. Die oberste der drei Wohnungen werde von dem Sohn von Frau T bewohnt. Als Anlage waren zahlreiche Ausdrucke aus den Internetportalen Facebook und Stay Friends beigefügt. Daraufhin veranlasste der Antragsgegner Ermittlungen durch den Außendienst am 15.01.2014 und 16.01.2014. Mit Schreiben vom 23.01.2014 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig eingestellt habe. Zur Überprüfung des Leistungsanspruches benötige er noch im Schreiben näher aufgeführte Unterlagen. Innerhalb von zwei Monaten werde er darüber entscheiden, ob dem Antragsteller weiterhin Leistungen zustünden oder ob die Bewilligungsentscheidung zurückgenommen bzw. aufgehoben werde. Er gebe dem Antragsteller nach § 24 SGB X Gelegenheit, sich bis zum 11.02.2014 zu den Umständen zu äußern, die gegen eine Aufhebung bzw. Rücknahme des Bewilligungsbescheides sprechen.

Am 29.01.2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Duisburg beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Leistungen aus dem Bewilligungsbescheid vom 13.12.2013 zu erbringen. Die vorläufige Zahlungseinstellung sei rechtswidrig. Eine Ermessensausübung sei nicht erfolgt. Voraussetzung für eine vorläufige Zahlungseinstellung sei, dass der Antragsgegner Kenntnis vom Wegfall des Leistungsanspruchs habe. Dies sei nicht der Fall, vielmehr prüfe der Antragsgegner den Anspruch noch. Er wohne zwar im selben Haus wie Frau T, habe allerdings eine eigene Wohnung im Dachgeschoss. Anha...

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