Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Entgeltabrechnung. Vereinbarung der Vertragsparteien auf Bundesebene über Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst b SGB 5 ermächtigt ausdrücklich zur Vereinbarung von Regelungen über die Abrechnung der Entgelte. Dies schließt die Möglichkeit von Vereinbarungen der Vertragsparteien auf Bundesebene über die Zulässigkeit und Grenzen von Aufrechnungen mit ein (vgl LSG Essen vom 3.6.2003 - L 5 KR 205/02 = GesR 2003, 293 und vom 6.12.2016 - L 1 KR 358/15).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 26.05.2020; Aktenzeichen B 1 KR 29/19 B)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 600,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung und in diesem Zusammenhang insbesondere die Berechtigung der Beklagten zur Aufrechnung einer Forderung.

Die Klägerin ist Trägerin des gemäß § 108 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) zugelassenen Krankenhauses "Lungenklinik I". Dort wurden die bei der Beklagten Versicherten N M (vom 21.02.2011 bis 05.03.2011) sowie H H (vom 27.05.2011 bis 01.07.2011) vollstationär behandelt. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zeigte der Klägerin unter dem 05.04.2011 bzw 31.08.2011 Prüfaufträge der Beklagten gemäß § 275 Abs 1 SGB V an. Nachdem die sodann durchgeführten Prüfungen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hatten, zahlte die Beklagte gemäß § 275 Abs 1c S 3 SGB V jeweils eine Aufwandspauschale iHv 300,00 EUR (insgesamt 600,00 EUR) an die Klägerin.

Mit Schreiben vom 10.12.2015 machte die Beklagte einen Erstattungsanspruch bezüglich der geleisteten Aufwandspauschalen geltend. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe in beiden Fällen eine sachlich-rechnerisch Richtigkeitsprüfung und nicht eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs 1c SGB V stattgefunden. Zugleich erklärte die Beklagte die Aufrechnung des Betrags iHv 600,00 EUR gegen eine unstreitige Vergütungsforderung der Klägerin aus der Behandlung des Versicherten L T (LT).

Die Klägerin hat am 11.01.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, mit der der sie die vollständige Vergütung aus der Behandlung von LT begehrt hat. Sie hält die Aufrechnung für unwirksam, weil ihr ein Aufrechnungsverbot nach § 15 Abs 4 S 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V (Landesvertrag NRW) entgegenstehe. Weder lägen die dort verlangte Beanstandung rechnerischer Art, noch eine Rücknahme der Kostenzusage oder unzutreffende Angaben des Krankenhauses vor.

Demgegenüber hat die Beklagte die Ansicht vertreten, der Anwendungsbereich des Aufrechnungsverbotes nach § 15 Abs 4 S 2 des Landesvertrages NRW sei nicht eröffnet. Denn dieser Vertrag regele ausschließlich die Voraussetzungen von stationärer Krankenhausbehandlung und deren Vergütung. Die Beklagte habe indes nicht mit einer Vergütungsforderung aus stationärer Behandlung sondern mit einer Verwaltungspauschale aufgerechnet. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des Landesvertrages sei die Forderung, welcher sich die Krankenkasse berühme.

Das SG hat mit Urteil vom 12.09.2017 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über den jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 11.01.2016 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufrechnung verstoße gegen das Aufrechnungsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 1 Landesvertrag NRW. Dieses lasse nach der ständigen Rechtsprechung des Landessozialgerichts NRW (LSG NRW) eine Aufrechnung nur in den dort ausdrücklich genannten Fällen zu (Bezugnahme auf ua eine Urteil des LSG NRW vom 27.03.2003, L 5 KR 141/01). Der Erstattungsanspruch der Beklagten begründe sich aber auf keine dieser Fall-gestaltungen. Weder hätten ein Rechenfehler vorgelegen, noch unzutreffende Angaben der Klägerin. Auch eine Kostenzusage sei nicht zurückgenommen worden. Die Beklagte berufe sich zur Begründung des Erstattungsanspruchs, mit welchem sie gegen die Forderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall LT aufgerechnet habe, vielmehr auf eine höchstrichterliche Rechtsfortbildung des BSG. § 15 Abs 4 S 2 des Landesvertrages NRW sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch einschlägig, da auf die Rechtsnatur der Hauptforderung, nicht diejenige der Gegenforderung abzustellen sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 17.10.2017 zugestellte Urteil am 10.11.2017 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere darauf hinweist, ihrer Auffassung nach sei bereits der Anwendungsbereich des § 15 Abs 4 des Landesvertrags NRW nicht eröffnet, da es sich bei der Aufwandspauschale um keinen Anspruch auf Vergütung handle.

Die Beklagte beantra...

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