Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsbescheide im Schwerbehindertenrecht ergehen unbefristet. hieraus folgt ein Anspruch auf Erteilung des Ausweises, der mit der Leistungsklage durchgesetzt werden kann

 

Orientierungssatz

1. Feststellungsbescheide im Schwerbehindertenrecht ergehen grundsätzlich unbefristet. Soweit sich im Bescheid Hinweise auf die Befristung der Gültigkeitsdauer des Ausweises befinden, so haben diese keine Auswirkung auf die unbefristete GdB-Feststellung.

2. Die GdB-Feststellung und die Erteilung des Schwerbehindertenausweises sind zwei verschiedene Dinge. Die GdB-Feststellung erfolgt durch unbefristeten Feststellungsbescheid. Die Erteilung des Schwerbehindertenausweises als öffentliche Urkunde ist dagegen ein nachgelagerter Realakt ohne weitergehenden Regelungsgehalt (BSG Urteil vom 11. 8. 2015, B 9 SB 2/15 R). Aus dem unbefristeten Feststellungsbescheid folgt ein Anspruch auf Erteilung des Ausweises (LSG Celle Urteil vom 21. 4. 2016, L 10 SB 87/15), der gfs. mit der allgemeinen Leistungsklage durchgesetzt werden kann.

 

Tenor

Die Beklagte hat Kosten der Klägerin im Vor-, Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache - wie hier durch übereinstimmende Erledigungserklärung - ist auf Antrag der Beteiligten gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG über die Kosten durch Beschluss zu entscheiden. Zuständig ist nach Erledigung außerhalb der mündlichen Verhandlung der Berichterstatter nach § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4 SGG.

Die Kostenentscheidung ergeht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Obsiegens/Unterliegens bzw. des bisherigen Sach- und Streitstandes (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 193 Rn. 12a ff.).

Danach ist eine Kostenübernahme durch die Beklagte nicht gerechtfertigt.

1.

Die Klägerin begehrte mit Widerspruch und Klage ausdrücklich die Ausstellung eines unbefristeten Feststellungsbescheides. Der angegriffene Feststellungsbescheid vom 21.02.2018, mit dem die Beklagte ein Anerkenntnis aus dem Verfahren S 16 SB 209/17 umsetzte, enthielt im Gegensatz zur klägerischen Annahme aber keine Befristung. Feststellungsbescheide im Schwerbehindertenrecht ergehen grundsätzlich - und so auch hier - unbefristet. Soweit sich im angegriffenen Bescheid Hinweise auf den vom Feststellungsbescheid zu trennenden Schwerbehindertenausweis und die Befristung der Gültigkeitsdauer dieses Ausweises finden, haben diese keine Auswirkung auf die unbefristete GdB-Feststellung. Widerspruch und Klage hatten damit von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg.

Offensichtlich hat das Sozialgericht der Klage in der mündlichen Verhandlung am 25.10.2018 eine andere Bedeutung beigemessen und sich dabei an der Rechtsprechung der 18. Kammer des Sozialgerichts Aachen orientiert, wonach Ausführungen zur Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises in Feststellungsbescheiden eine eigene Verfügung darstellen und eigens angreifbar sind. Deswegen seien auch Ausführungsbescheide mit entsprechendem Inhalt durchaus mit Widerspruch und Klage angreifbar (vgl. SG Aachen, Urteil vom 28.06.2016 - S 18 SB 114/16, juris). Im Fall, der dem Urteil der 18. Kammer des Sozialgerichts Aachen zugrunde lag, war allerdings ausweislich des Tatbestandes der Entscheidung im Vor- und Klageverfahren ausdrücklich über die Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises gestritten worden und dieser mithin Gegenstand. Das war nach dem objektiven Empfängerhorizont im vorliegenden Verfahren, in dem die Klägerin wiederholt - irrig - von einer Befristung des Feststellungsbescheids sprach, nicht der Fall. Für die Erfolgsaussichten der Klage bedeutete dies, dass die Frage, ob die Ausführungen zur Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises eine eigene Verfügung darstellen, letztlich dahinstehen konnte. Stellten die Ausführungen zur Gültigkeitsdauer des Ausweises einen bloßen Hinweis dar, war der Widerspruch gegen den Ausführungsbescheid als unzulässig zu verwerfen und der Klageantrag auf isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unbegründet. Sollte es sich bei diesen Ausführungen doch um eine eigene Verfügung gehandelt haben, wäre diese Verfügung bestandskräftig geworden, da sich Widerspruch und Klage nur auf den Feststellungsteil des Bescheides bezogen.

2.

Unabhängig davon begegnet die Rechtsprechung der 18. und 22. Kammer des Sozialgerichts Aachen Bedenken.

a.

Dies betrifft zunächst die Veranlassung einer Umstellung der Klage auf die bloße Aufhebung des Widerspruchsbescheides. Die 18. Kammer des Sozialgerichts führt zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses für eine isolierte Aufhebung an, der Beklagten stehe ein Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises zu (SG Aachen, a.a.O., Rn. 26). Das Sozialgericht beruft sich hierfür auf ein Urteil des LSG NRW vom 23.03.1998. Dort heißt es an der vom Sozialgericht zitierten Stelle allerdings lediglich, dass "der Beklagte frei war, nach seiner pflichtgemäßen Beurtei...

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