Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Anfalls der Terminsgebühr bei Erledigung des Verfahrens durch außergerichtlichen Vergleich
Orientierungssatz
1. Endet ein Verfahren durch außergerichtlichen Vergleich, so ist die Terminsgebühr des beauftragten Rechtsanwalts nach Nr. 3106 VV RVG nicht entstanden, weil der Rechtsanwalt den Kläger weder in einem Verhandlungs-, Erörterungs- noch Beweisaufnahmetermin vertreten hat.
2. Dies gilt auch seit Erlass des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 23. 7. 2013 mit Wirkung ab 1. 8. 2013.
Normenkette
VV RVG a.F. Nrn. 3106, 3104 Abs. 1 Nr. 1; VV RVG Nr. 3106 Nr. 1; RVG § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 S. 1, § 60 Abs. 1 S. 1; BRAO § 49b Abs. 4 S. 2; SGG § 101 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 29.08.2014 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG - ).
Die durch den Beschwerdeführer vertretenen Kläger wandten sich wegen verschiedener Berechnungselemente der Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), u.a. der Stromkosten für die Warmwasserbereitung, durch Klage vom 26.01.2012 an das Sozialgericht (SG) Münster. Ihnen wurde durch Beschluss des SG vom 09.05.2014 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet. Das Verfahren endete durch (außergerichtlichen) Vergleich, den das SG durch Beschluss vom 20.05.2014 nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 278 Abs. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) feststellte.
Am 21.05.2014. hat die vom Bevollmächtigten durch Forderungsabtretung eingeschaltete private rechtsanwaltliche Verrechnungsstelle in N. (PVS RA GmbH) beim SG folgende Vergütungsfestsetzung beantragt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 Vergütungsverzeichnis zum RVG -. VV/RVG 170,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG: 200,00 EUR
Gebühr für gerichtliches Verfahren, § 3 RVG Nr. 1006 VV/RVG 190,00 EUR
Post- und Telekom-Pauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR
Zwischensumme: 580,00 EUR
Gesamt zzgl. 19 % Umsatzsteuer 690,20 EUR.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG hat die Vergütung mit Beschluss vom 23.05.2014 auf insgesamt 452,20 Euro festgesetzt. Die Terminsgebühr sei nicht entstanden. Eine der Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 3. Alt. VV/RVG entsprechende Regelung - Entstehen einer Terminsgebühr auch in den Fällen, in denen in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgesehen ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird - enthalte die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV RVG nicht. Daraus dürfe aber auch nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke bzw. ein versehentliches Schweigen des Gesetzgebers vorliege.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 05.06.2014 Erinnerung eingelegt. Die Absetzung der fiktiven Terminsgebühr sei nicht gerechtfertigt. Diese sei in der Vergangenheit zwar von der Rechtsprechung überwiegend, entgegen einigen Gerichten und der großen Mehrheit in der Literatur, zu Unrecht nicht anerkannt worden. Jedoch sei sie im neuen RVG ausdrücklich geregelt. Die Regelung sei keine Gesetzesänderung, sondern Ausdruck der Korrektur eines Redaktionsversehens. Deshalb sei auch für Fälle, die nach altem Recht zu beurteilen seien, nun die fiktive Terminsgebühr anzuerkennen.
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das SG hat durch Beschluss vom 29.08.2014 die Erinnerung zurückgewiesen. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV/RVG sei nicht angefallen. Eine Analogie zu Nr. 3104 VV/RVG könne nicht gezogen werden, da diese allein wertabhängige Gebühren betreffe, mithin bei Betragsrahmengebühren - wie hier - schon keine planwidrige Regelungslücke bestanden habe.
Dagegen hat der Bevollmächtigte der Kläger am 26.09.2014 Beschwerde eingelegt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalen ist dem entgegen getreten. Er hat sich auf die angefochtene Entscheidung des SG bezogen und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des PKH-Beiheftes verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat mit drei Berufsrichtern, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
Die wegen des Streits um eine sog. fiktive Terminsgebühr iHv 200 Euro zzgl. Umsatzsteuer gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG erhobene Beschwerde des Klägerbevollmächtigten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht die Abtretung der Forderung zum Zwecke der Einziehung an die PVS RA GmbH als private Verrechnungsstelle der Beschwerdebefugnis des Bevollmächtigten nicht entgegen. Insoweit bestimmt einer...