Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. kein Anfall einer fiktiven Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich. Altfall

 

Leitsatz (amtlich)

In Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, fällt nach der bis 31.7.2013 geltenden Rechtslage keine sog fiktive Terminsgebühr an, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen worden ist. Weder weist Nr 3106 VV RVG (in der bis 31.7.2013 geltenden Fassung) eine planwidrige Regelungslücke auf, die im Wege der Analogie zu schließen ist, noch gebietet Art 12 Abs 1 GG oder Art 3 Abs 1 GG eine solche Auslegung.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 30. April 2013 geändert und die dem Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 226,10 € festgesetzt.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) in einem sozialgerichtlichen Verfahren beigeordneten Rechtsanwalts.

Die Kläger führten vor dem Sozialgericht Dresden (SG) - bereits im Widerspruchsverfahrens durch den Beschwerdegegner anwaltlich vertreten - das Verfahren S 34 AS 1834/11, in dem die Rechtmäßigkeit einer Teilaufhebung von nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bewilligten Leistungen einschließlich einer damit korrespondieren Erstattungsforderung über 204,68 € sowie die Höhe der für den Bewilligungszeitraum vom 01.04.2010 bis 30.09.2010 zustehenden Grundsicherungsleistungen streitig waren. Mit Beschluss vom 22.03.2012, geändert durch Beschluss vom 27.06.2012, bewilligte das SG den Klägern ab 09.12.2011 ratenfreie PKH unter Beiordnung des Beschwerdegegners. Im Juni 2012 nahmen die Beteiligten des Klageverfahrens einen vom SG schriftlich unterbreiteten Vergleichsvorschlag zur Erledigung des Rechtstreits an, nach dem das beklagte Jobcenter die außergerichtlichen Kosten der Kläger zur Hälfte übernahm.

Am 09.07.2012 hat der Beschwerdegegner beantragt, seine aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG)

 170,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

 200,00 €

Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG)

 190,00 €

Pauschale für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Dokumentenpauschale für Ablichtungen (Nr. 7000 VV RVG)

 15,00 €

Zwischensumme

 595,00 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 113,05 €

zu zahlender Betrag

 708,05 €

Abzug Zahlung Gegner 50 %

 354,02 €

Erstattungsbetrag

 354,03 €

Mit Beschluss vom 28.11.2012 setzte die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG)

 170,00 €

Einigungs-/Erledigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG)

 190,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 72,20 €

Gesamtsumme

 452,20 €

davon ½

 226,10 €

Die Terminsgebühr sei nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) abzusetzen gewesen, da die Gebührenziffer Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht anwendbar sei (vgl. Beschluss vom 09.12.2010 - L 6 AS 438/10 B KO - juris). Eine Analogie scheide aus. Die Kopiergebühren seien nicht erstattungsfähig, da die Ablichtungen anlässlich der Akteneinsicht im Juni 2011 und damit vor der im Rahmen der PKH-Bewilligung erfolgten Beiordnung gefertigt worden seien.

Der Beschwerdegegner hat hiergegen am 12.12.2012 Erinnerung eingelegt, mit der er weiterhin die Festsetzung einer Terminsgebühr für den geschlossenen schriftlichen Vergleich begehrt hat.

Mit Beschluss vom 30.04.2013 hat das SG den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28.11.2012 geändert, die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 326,10 € festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Die Ansetzung einer Terminsgebühr durch den Beschwerdegegner sei berechtigt. Der Rechtsprechung des Sächsischen LSG sowie u.a. des LSG Nordrhein-Westfalen schließe sich die Kammer nicht an. Die Annahme des Sächsischen LSG, das sozialgerichtliche Verfahren sehe den Abschluss eines schriftlichen Vergleiches nicht vor, sei überholt. Der mit Wirkung zum 26.07.2012 in § 202 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingefügte Verweis auf § 278 Abs. 5 und § 278a Zivilprozessordnung (ZPO) belege, dass entgegen der Auffassung des Sächsischen LSG in dessen Beschluss vom 09.12.2010 (L 6 AS 438/10 B KO - juris) dem SGG das Güteverfahren nach § 278 ZPO nicht unbekannt sei. Im Übrigen verweise die Kammer auf die Entscheidung des SG Oldenburg vom 02.04.2012 (S 10 SF 170/11 E - juris), der sie sich anschließe. In Anbetracht dessen, dass der Gesetzgeber einen Anreiz für außergerichtliche Einigungen habe schaffen wollen, sei kein Grund ersichtlich, weshalb eine vom Gericht initiierte schriftsätzliche Verständigung, die im Ergebnis ebenfalls zur Vermeidung eines Termins geführt habe, gebührenrechtlich anders behandelt werden solle als eine Mitwirkung an einer auf die V...

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