Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erledigungsgebühr. anwaltliche Mitwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Entstehen der Erledigungsgebühr nach Nr 1006 VV RVG erfordert eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialgerichtlichen Verfahren abgegolten wird. Regelmäßig nicht ausreichend ist die bloße Abgabe von Prozesserklärungen.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 29. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) in einem sozialgerichtlichen Verfahren beigeordneten Rechtsanwalts.

Der Leistungen nach dem SGB II beziehende Kläger führte vor dem Sozialgericht Dresden (SG), vertreten durch den Beschwerdeführer, das Verfahren S 21 AS 6423/08, in dem im Wesentlichen um die Rechtmäßigkeit der Absenkung der Regelleistung aufgrund der Ablehnung einer dem Kläger vom Rechtsvorgänger des Beteiligten angebotenen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (sog. “1-Euro-Job„) gestritten wurde. Mit Beschluss vom 30.03.2009 bewilligte das SG dem Kläger PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Der Rechtsstreit erledigte sich durch Annahme des vom Beteiligten am 05.05.2010 abgegebenen vollen Anerkenntnisses.

Am 22.07.2010 hat der Beschwerdeführer beantragt, seine aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

250,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

200,00 €

Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG

190,00 €

Kosten für Ablichtungen aus der Verwaltungsakte

26,35 €

Entgelte für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)

20,00 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

130,41 €

Abzüglich Vorschusszahlung

321,30 €

Summe 

495,46 €

Mit Beschluss vom 09.11.2010 hat die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

200,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

100,00 €

Erledigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG)

152,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Fotokopiekosten

26,35 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 94,69 €

Summe 

593,04 €

Abzüglich Vorschusszahlung

321,30 €

Gesamtsumme

271,74 €

Gegen die Absenkung der Verfahrens-, Erledigungs- und Terminsgebühr hat der Beschwerdeführer am 09.12.2010 Erinnerung eingelegt. Der Beschwerdegegner hat am 08.02.2011 Anschlusserinnerung eingelegt und beantragt, die Erledigungsgebühr abzusetzen. Mit Beschluss vom 29.10.2012 hat das SG den Vergütungsfestsetzungsbeschluss geändert und die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

250,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

100,00 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Fotokopiekosten

26,35 €

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 75,31 €

Summe 

471,66 €

Abzüglich Vorschusszahlung

321,30 €

Gesamtsumme

150,36 €

Es habe sich um einen insgesamt durchschnittliche Sache gehandelt, sodass die Verfahrensmittelgebühr verdient sei. Die Terminsgebühr sei nach angenommenen Anerkenntnis in Höhe von 100,00 € festzusetzen. Umfang, Schwierigkeit und Einkommensverhältnisse seien unterdurchschnittlich, die Bedeutung für den Kläger durchschnittlich gewesen. Insbesondere wäre ohne Annahme des Anerkenntnisses in einer mündlichen Verhandlung lediglich die Annahmeerklärung ohne weitere Erörterung abzugeben gewesen. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, denn es habe keine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung vorgelegen, die zur Erledigung geführt habe. Auch eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden, da es bei dem vollumfänglichen Anerkenntnis an einer vertraglichen Einigung der Parteien fehle.

Gegen den ihm am 28.11.2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 08.12.2012 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat. Unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen beantragt er, die Vergütung auf insgesamt 816,76 € abzüglich erhaltener Zahlungen festzusetzen. Zwar entstünde bei streitwertabhängigen Verfahren in ähnlicher Konstellation (volles Obsiegen) keine Einigungsgebühr. Es sei jedoch zweifelhaft, ob dies auch für das nicht streitwertgebundene sozialgerichtliche Verfahren gelte. Die Terminsgebühr sei nicht zu kürzen, denn es werde lediglich die Vermeidung von Verhandlungen und Entscheidungsabsetzungen honoriert, ohne Ersparniseffekte auf Seiten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.

Der Beschwerdegegner ist der Beschwerde entgegengetreten.

Dem Senat lagen die Akten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens einschließlich des Erinnerungsverfahrens und des PKH-Beiheftes sowie die Akten des Verfahrens S 21 AS 64223/08 vor.

II.

1. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der an sich nach § 56 Abs. 1 Satz 2, § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG zuständige E...

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