Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen einen Beschluss des Sozialgerichts

 

Orientierungssatz

1. Auf die nach § 178 a SGG zulässig erhobene und begründete Anhörungsrüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

2. Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordert lediglich, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Weder wird hierdurch die Richtigkeit der Tatsachenermittlung durch das Gericht noch die Zugrundelegung der Rechtsansicht eines Beteiligten garantiert.

3. Die Gegenvorstellung ist auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einfügung des § 178 a in das SGG zum 1. 1. 2005 weiterhin zulässig. Sie hat Erfolg, wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, so dass sie im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde.

 

Tenor

Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 08.02.2010 werden zurückgewiesen.

Der Antrag, den Sachverständigen Dr. I wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird abgelehnt.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss des Senats vom 08.02.2010, mit dem ihre Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung des Merkzeichens "aG" (außergewöhnlich gehbehindert) im Eilverfahren zurückgewiesen worden ist.

Mit Bescheid vom 10.03.2003 stellte das Versorgungsamt E bei der Antragstellerin wegen der Funktionsbeeinträchtigungen

1. Verschleiß der Kniegelenke, Kniegelenksersatz rechts, Fußfehlform, Schwellneigung der Beine (Grad der Behinderung - GdB - 50)

2. Wirbelsäulenverschleiß, Schulterarmbeschwerden, Daumengrundgelenksverschleiß (GdB 20)

3. Bluthochdruck mit Herzschädigung, Herzklappenfehler (GdB 20)

4. Speiseröhrenentzündung (GdB 20)

einen Grad der Behinderung von 70 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" (erheblich gehbehindert) fest.

Auf einen Verschlimmerungsantrag der Antragstellerin vom 30.05.2008, mit dem diese auch die Nachteilsausgleiche "aG" (außergewöhnlich gehbehindert), "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "RF" (Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht) begehrte, erhöhte das Versorgungsamt E den GdB nach Auswertung einer Vielzahl medizinischer Berichte mit Bescheid vom 03.07.2008 auf 80. Dabei ging es von den Funktionsbeeinträchtigungen

1. Verschleiß der Kniegelenke, Kniegelenksersatz rechts, Fußfehlform, Schwellneigung der Beine, Lymphödeme (GdB 50)

2. Wirbelsäulenverschleiß, Schulter-Armbeschwerden, Daumengrundgelenksverschleiß, Polyarthrose der Hände (GdB 30)

3. Harninkontinenz (GdB 20)

4. Schlafapnoe-Syndrom (GdB 20)

5. Speiseröhrenentzündung (GdB 20)

6. Bluthochdruck mit Herzschädigung, Herzklappenfehler (GdB 20)

aus. Die Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen lägen nicht vor. Den Widerspruch der Antragstellerin vom 25.07.2008 wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008 zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin am 28.11.2008 Klage beim Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben (Az. S 43 SB 253/08) und ihr Begehren weiter verfolgt.

Am 12.06.2009 hat die Antragstellerin den Erlass einer Einstweiligen Anordnung beantragt und die Ausstellung eines Ausweises mit dem Merkzeichen "aG" bis zur Entscheidung in der Hauptsache begehrt. Sie hat geltend gemacht, dass sie dem in Nr. 11 der zu § 46 Straßenverkehrsordnung erlassenen Verwaltungsvorschrift genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten gleichzustellen sei. Um den Erfolg einer kürzlich durchgeführten Operation am rechten Knie zu sichern, sei sie auf eine Vielzahl von Behandlungen angewiesen, zu denen sie nur per Taxi oder Mietwagen gelangen könne. Die Krankenkasse übernehme die Fahrkosten zu diesen Behandlungen nur dann, wenn bei ihr das Merkzeichen "aG" festgestellt sei. Da sie lediglich eine Rente beziehe, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen für sie erheblich.

Das SG hat im Hauptsacheverfahren nach Einholung verschiedener Befundberichte ein orthopädisches Gutachten bei dem Sachverständigen Dr. I in Auftrag gegeben.

Den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG mit Beschluss vom 12.08.2009 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund fehle. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Nachteilsausgleichs "aG" lägen nach den bisherigen Erkenntnissen nicht vor. Die Antragstellerin zähle nach den aktenkundigen Befunden nicht zu dem in § 6 Abs....

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