Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Terminsgebühr bei Abschluss eines Vergleichs im schriftlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Wird im sozialgerichtlichen Verfahren ein Vergleich im schriftlichen Verfahren abgeschlossen, entsteht dadurch alleine noch keine Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG.
2. Die Anmerkung Abs 1 Nr 1 zu Nr 3104 VV RVG, die bei Wertgebühren für diesen Fall eine Terminsgebühr vorsieht, ist nicht entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 23.09.2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. In dem abgeschlossenen Verfahren, in dem die Beteiligten um die Feststellung des Grades der Behinderung mit 100 und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Gehbehinderung) gestritten haben, hat das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 28.08.2005 dem Kläger unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ab Klageerhebung am 03.02.2005 Prozesskostenhilfe bewilligt. Nach Einholung eines ärztlichen Befundberichts hat sich der Beklagte bereit erklärt, ab Antragstellung die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen und die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte zu übernehmen. Der Kläger hat das Angebot angenommen und den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Er hat die Festsetzung folgender Gebühren nach dem am 01.07.2004 in Kraft getretenen Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) beantragt:
Verfahrensgebühr gem. §§ 2, 3, 14 RVG i.V.m. Nr. 3103 VV RVG 170,00 Euro Terminsgebühr gem. §§ 2, 3, 14 i.V.m. Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr gem. §§ 2, 3, 14 i.V.m. Nr. 1006 VV RVG 190,00 Euro Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro 16 % Mehrwertsteuer 92,80 Euro Gesamtbetrag 672,80 Euro.
Der Beklagte hat dagegen keine Einwendungen und angekündigt, in Kürze den hälftigen Betrag in Höhe von 336,40 Euro zu überweisen.
Mit Beschluss vom 20.07.2005 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die geltend gemachte Vergütung gegen die Landeskasse in Höhe von 220,40 Euro festgesetzt und ausgeführt, die geltend gemacht Terminsgebühr sei nicht anzusetzen, da weder eine gerichtliche Entscheidung noch ein Anerkenntnis vorlägen. Mit seiner Erinnerung hat der Kläger vorgetragen, das Absetzen der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG widerspreche den Vergütungsgrundsätzen des RVG. Danach ersetze die Terminsgebühr die bisherige Verhandlungs-, Erörterungs- sowie Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 - 4 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Sie liege mit 1,2 um 0,2 höher als bisher. Ein grundsätzlicher Wegfall der Terminsgebühr und damit eine Schlechterstellung des Prozessbevollmächtigten entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Es hätte insofern vielmehr eine Verbesserung eintreten sollen. Des weiteren gelte der Grundsatz der notwendigen mündlichen Verhandlung, von dem nur mit vorherigem Einverständnis abgewichen werden dürfe. Wenn sich jedoch wie hier die Beteiligten einigten bzw. der Rechtsstreit durch ein (Teil)Anerkenntnis der Gegenseite erledige, ändere dies nichts an diesem Grundsatz und berechtige nicht zur Streichung der Terminsgebühr. Zudem sehe Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG eine Terminsgebühr vor, wenn das Verfahren nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung ende. Gleiches folge aus Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 VV RVG. Die Terminsgebühr solle lediglich dann entfallen, wenn gem. Nr. 3104 Abs. 3 VV RVG nicht rechtshängige Ansprüche protokolliert werden sollten.
Das SG hat mit Beschluss am 23.09.2005 die Erinnerung zurück gewiesen und ausgeführt, in Fällen, in denen in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, ein Vergleich geschlossen werde, sehe Nr. 3106 VV RVG eine Terminsgebühr nicht vor. Eine etwaige analoge Anwendung der Nr. 3104 VV RVG scheide insoweit mangels planwidriger Regelungslücke aus, da der Gesetzgeber diese Vorschrift gerade ausdrücklich nur für anwendbar erklärt habe, soweit in Nr. 3106 VV RVG nichts anderes bestimmt sei. Hätte er aber gewollt, dass auch in den von Nr. 3106 VV RVG erfassten Fällen die Regelungen der Nr. 3104 VV RVG Anwendung finden, hätte er keine gesonderte Regelung treffen müssen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Abschluss schriftlicher Vergleiche in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, bewusst vom Erheben einer Terminsgebühr habe ausnehmen wollen. Dafür spreche auch, dass die Regelung der Nr. 3106 VV RVG im übrigen der Nr. 3104 VV RVG entspreche. Ebenso scheide eine Anwendung der Nr. 3106 Ziff. 3 VV RVG aus. Unter diese Regelung falle nur ein Anerkenntnis und nicht auch ein "Teilanerkenntnis". Das folge auch aus Nr. 3104 Abs.1 VV RVG, die zwischen einem schriftlichen Vergleich, also einem gegenseitigen Nachgeben, und einem Anerkenntnis, also dem Anerkennen des Klageanspruchs im vollen Umfang, unterscheide. Das be...