Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz zur vorherigen Kontaktaufnahme mit dem Antragsgegner im Fall einer Vollstreckungsankündigung
Orientierungssatz
1. Erst wenn ein Antragsteller zur Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz alle zumutbaren Möglichkeiten, das erstrebte Ziel auch ohne Einschaltung des Gerichts zu erreichen, erfolglos ausgeschöpft hat, ist die Notwendigkeit des gerichtlichen Eingreifens und damit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen.
2. Vor der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes ist es dem Antragsteller zuzumuten, sich zur Klärung einer Vollstreckungsankündigung mit dem Antragsgegner in Verbindung zu setzen und diesem Gelegenheit zur Abhilfe zu geben. Dies gilt auch im Falle einer Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes, weil mit dieser konkrete Vollstreckungsmaßnahmen noch nicht verbunden sind.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 01.09.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Eilverfahren auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.
Die 1954 geborene Antragstellerin bezieht von der Antragsgegnerin laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheiden vom 23.04.2010 und 20.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2010 erließ die Antragsgegnerin einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Höhe von 784,69 Euro. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen. In einem Eilverfahren (S 9 AS 839/10 ER) beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Die Antragsgegnerin erklärte am 05.08.2010, dass Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung hätten und die Vollstreckung ausgesetzt werde. Daraufhin nahm die Antragstellerin am 16.08.2010 den Eilantrag zurück. Am 19.08.2010 erhielt sie eine Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes vom 16.08.2010.
Am 20.08.2010 hat die Antragstellerin erneut um Eilrechtsschutz mit dem Begehren gebeten, die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen. Die Antragsgegnerin halte sich - wie aus der Vollstreckungsankündigung ersichtlich - nicht an ihre Erklärung im Verfahren S 9 AS 839/10 ER. Für die Durchführung des Eilverfahrens hat die Antragstellerin die Gewährung von PKH beantragt. Die Antragsgegnerin hat unmittelbar nach Zugang des Eilantrags die Aussetzung der Vollstreckungsmaßnahmen bestätigt und mitgeteilt, dass es mit der Versendung der Vollstreckungsankündigung zu einer Überschneidung im Postlauf gekommen sei.
Mit Beschlüssen vom 01.09.2010 hat das SG den Eilantrag und den Antrag auf Gewährung von PKH abgelehnt. PKH könne mangels Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht gewährt werden. Der Eilantrag sei unzulässig. Es fehle der Antragstellerin am Rechtsschutzbedürfnis, da sie das Gericht angerufen habe, ohne zuvor der Antragsgegnerin hinreichende Gelegenheit zur Abhilfe zu geben. Es sei der Antragstellerin zumutbar gewesen, sich vor Anrufung des Gerichts mit der Antragsgegnerin zur Klärung der Vollstreckungsankündigung in Verbindung zu setzen. Wenngleich das Schreiben des Hauptzollamtes eine Zahlungsaufforderung enthalte, seien konkrete Vollstreckungsmaßnahmen damit nicht verbunden gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Aussetzung der Vollstreckungsmaßnahmen unter Hinweis auf eine Überschneidung im Postlauf umgehend nach Zugang der Antragsschrift bestätigt.
Gegen den ihr am 03.09.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 10.09.2010 Beschwerde eingelegt. Unabhängig von den nunmehr vorgetragenen verwaltungsinternen Vorgängen müsse bei der Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses von ihrer Kenntnis im Zeitpunkt des (zweiten) Eilantrags ausgegangen werden. Hier habe sich für sie das Bild ergeben, dass eine Zwangsvollstreckung 11 Tage nach einer gegenteiligen Erklärung im vorangegangenen Verfahren angekündigt worden sei. Die Antragsgegnerin habe sich nicht nur hier rechtswidrig verhalten, sondern auch bereits zuvor angebliche Forderungen unzulässig mit Leistungen verrechnet. Es sei nicht davon auszugehen, dass bei dieser "Beharrlichkeit" ein Anruf zu einem durchschlagenden Erfolg geführt hätte. Ihr habe nicht zugemutet werden können, im Ergebnis die Durchführung einer rechtswidrigen Zwangsvollstreckung abzuwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Antragsgegnerin verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag...