Entscheidungsstichwort (Thema)
Regressanspruch der Landeskasse nach abgeschlossenem PKH-Verfahren
Orientierungssatz
1. Eine ursprünglich statthafte Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung bleibt nach der Gesetzesänderung zum 1. 4. 2008 nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts statthaft.
2. Die Landeskasse ist nach einem abgeschlossenen PKH-Verfahren aus abgeleitetem Recht befugt, eine Kostengrundentscheidung zu beantragen, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt ihr seine Antragsbefugnis wirksam übertragen hat. Dieser ist aus dem PKH-Verhältnis verpflichtet, die Landeskasse zu unterstützen, soweit sie Regressansprüche gegen den Prozessgegner des Antragstellers durchsetzen möchte.
3. Ob der Antragsgegner dem Antragsteller außergerichtliche Kosten erstatten muss, hat das Sozialgericht nach billigem Ermessen zu entscheiden. Um den Ermessensspielraum des Sozialgerichts zu wahren, darf das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Kostengrundentscheidung nur dann durch eine eigene Ermessensentscheidung ersetzen, wenn der angefochtene Beschluss ermessensfehlerhaft ist.
4. Verzichtet ein Beteiligter aus freien Stücken darauf, seine Rechte weiter zu verfolgen, so spricht dies in der Regel dafür, ihm Kosten aufzuerlegen. Ändern sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse während des Gerichtsverfahrens und erkennt die Behörde daraufhin den geltend gemachten Anspruch sofort an, ist es unbillig, sie mit außergerichtlichen Kosten zu belasten.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13. November 2007 geändert: Die Beschwerdegegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beschwerdegegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers tragen muss.
Mit Abzweigungsbescheid vom 12. Oktober 2006 setzte die Beschwerdegegnerin das Arbeitslosengeld I des Antragstellers zugunsten der Stadt N ab dem 04. Oktober 2006 um 8,97 EUR täglich herab. Dem widersprach der Antragsteller am 17. Oktober 2006 und suchte beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen gleichzeitig um einstweiligen Rechtsschutz nach. Durch Teilabhilfebescheid vom 24. Oktober 2006 reduzierte die Beschwerdegegnerin den Abzweigungsbetrag auf 2,08 EUR täglich und zahlte die einbehaltenen Beträge (58,24 EUR für Oktober 2006 und 62,40 EUR für November 2006) an die Stadt N aus.
Das SG gewährte dem Antragsteller mit Beschluss vom 31. Oktober 2006 ab dem 25. Oktober 2006 ratenfrei Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete ihm Rechtsanwältin I aus P bei. Nachdem das SG auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hingewiesen hatte, erklärte die Beschwerdegegnerin unter dem 14. November 2006, sie werde "bis zur Entscheidung über den Widerspruch die Abzweigung vollständig rückgängig" machen. Daraufhin nahm der Antragsteller den Eilantrag zurück. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Rechtsanwaltsvergütung aus der Landeskasse auf 220,40 EUR fest. Auf Bitten des Beschwerdeführers trat ihm die beigeordnete Rechtsanwältin "ihre Antragsbefugnis" nach § 193 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ab.
Am 30. August 2007 hat der Beschwerdeführer beim SG Gelsenkirchen beantragt, der Beschwerdegegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen. Dies sei erforderlich, damit die Landeskasse die Vergütungsforderung der Rechtsanwältin gegenüber der Beschwerdegegnerin geltend machen könne. Die Beschwerdegegnerin hat es abgelehnt, die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu übernehmen, weil der Eilantrag nicht erforderlich gewesen sei.
Das SG hat am 13. November 2007 beschlossen, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht antragsbefugt gewesen. Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 20. November 2007 Beschwerde eingelegt, der das SG mit Beschluss vom 21. November 2007 nicht abgeholfen hat.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Beschwerde ist zulässig, obwohl Beschwerden gegen Kostengrundentscheidungen gem. § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG seit dem 01. April 2008 nicht mehr statthaft sind. Denn nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts begründet die Einlegung eines ursprünglich statthaften und zulässigen Rechtsmittels eine schutzwürdige verfahrensrechtliche Position, die der Gesetzgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes [GG] i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip [Art. 20 Abs. 3 GG]) durch eine nachträgliche Verschärfung von Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht mehr rückwirkend beseitigen kann (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 07. Juli 1992, Az.: 2 BvR 1631/90, 2 BVR 1728/90, BVerfGE 87, 48, 63 ff.).
Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Beschwerdegegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers tragen muss. Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 102 Satz 3, 2. Halbsatz SGG hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligt...