Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen Beitragsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen Beitragsbescheid durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers gegen das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ein überwiegendes Suspensivinteresse können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht.
Normenkette
SGG § 86a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 86b Ab S. 2, § 197a Abs. 1 S. 1; SGB IV § 7 Abs. 1 S. 1, §§ 14, 28e Abs. 1 S. 1, § 28p Abs. 1 S. 5; SGB III §§ 341-342; SGB V § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB VI §§ 161, 162 Nr. 1; SGB XI § 57 Abs. 1 S. 1; EStG § 38 Abs. 1 S. 3; HGB § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2; VwGO § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3; GKG § 47 Abs. 1, §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.6.2021 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 23.7.2019 in der Gestalt des Bescheides vom 2.12.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 13.2.2020 wird angeordnet und die Vollziehung aufgehoben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 304,99 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 22.6.2021 ist zulässig. Nach der unter Vorbehalt erfolgten Befriedigung der Nachforderung richtet sich das Beschwerdebegehren neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim SG unter dem Az. S 2 BA 24/20 anhängigen Klage (auch) auf die Aufhebung der Vollziehung des Beitragsbescheides. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin hierfür besteht trotz vorgenommener Zahlung, da der bereits entrichtete Betrag bei Obsiegen von der Beigeladenen (vorläufig) zurückzugewähren ist.
Die Beschwerde ist auch begründet. Insoweit ist der Beschluss des SG zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 23.7.2019 in der Gestalt des Bescheides vom 2.12.2019 und des Widerspruchsbescheides vom 13.2.2020 anzuordnen sowie die Vollziehung aufzuheben.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gem. § 86b Abs. 1 S. 2 SGG eine schon erfolgte Vollziehung aufheben. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Säumniszuschläge (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER- juris Rn. 2 m.w.N.).
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2000 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 3).
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des erkennenden Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 - L 8...