Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungskompetenz des Präsidiums des Sozialgerichts bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen dessen Spruchkörpern
Orientierungssatz
1. Das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit wird nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Streitigkeiten unter verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts über ihre Zuständigkeit sind dagegen nicht nach Maßgabe des § 58 SGG, sondern durch das Präsidium des Gerichts zu entscheiden.
2. Nur das Präsidium ist berechtigt und verpflichtet, Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Spruchkörpern für diese verbindlich zu beenden, auch wenn dieses dabei Bestimmungen der gesetzlichen Geschäftsverteilung zu beachten und auszulegen hat.
Tenor
Der Antrag der 9. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf Bestimmung der gesetzlich zuständigen Fachkammer wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt als Trägerin des St. S Krankenhauses in M die Zulassung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung bei pulmonaler Hypertonie gemäß § 116 b Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Gegen den ablehnenden Bescheid der Bezirksregierung Köln hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Die für vertragsärztliche Angelegenheiten zuständige 26. Kammer des SG Köln hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich zwar um eine vertragsärztliche Angelegenheit handele, dass aber das SG Köln nicht örtlich zuständig sei. Örtlich zuständig sei nach § 57a Sozialgerichtsgesetz (SGG) vielmehr das SG Düsseldorf. Mit Beschluss vom 04.11.2009 hat das SG Köln sich sodann für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Düsseldorf verwiesen.
Die für vertragsärztliche Angelegenheiten zuständige 2. Kammer des SG Düsseldorf hat Zweifel hinsichtlich ihrer Zuständigkeit geäußert und um eine Zuständigkeitsentscheidung des Präsidiums gebeten.
Das Präsidium des SG Düsseldorf hat eine Entscheidung darüber, welche Kammer des SG Düsseldorf für den Rechtsstreit zuständig ist, nicht treffen wollen. Die angesprochenen Fragen seien keine der Geschäftsverteilung, sondern des materiellen Rechts.
Nachdem das Verfahren sodann als krankenversicherungsrechtliche Angelegenheit erfasst worden ist, hat die 9. Kammer des SG Düsseldorf das Landessozialgericht (LSG) angerufen und die Bestimmung der gesetzlich zuständigen Fachkammer gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG analog beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, es liege eine Vertragsarztangelegenheit vor.
II.
Der Antrag ist abzulehnen, weil für die Bestimmung der zuständigen Fachkammer durch das LSG keine Rechtsgrundlage besteht.
Nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben (negativer Kompetenzkonflikt). Eine unmittelbare Anwendung dieser Regelung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich vorliegend ersichtlich nicht verschiedene Gerichte, sondern verschiedene Fachkammern eines Gerichtes, des SG Düsseldorf, für unzuständig erklärt haben. Auch für eine analoge Anwendung der Vorschrift sieht der Senat keinen Raum. Streitigkeiten unter verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts über ihre Zuständigkeit sind grundsätzlich nicht nach Maßgabe des § 58 SGG, sondern durch das Präsidium des Gerichts zu entscheiden (vgl. Handkommentar zum SGG/Groß, § 58 Rz. 9; BSG vom 14.12.1966 - 8 RV 1049/65 - BSGE 26, 38 f.).
Eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG bei Kompetenzkonflikten zwischen einzelnen Spruchkörpern eines Gerichts würde voraussetzen, dass eine planwidrige, ausfüllungsbedürftige Regelungslücke im Gesetz besteht. Daran fehlt es hier. Sinn und Zweck von § 58 Abs. 1 SGG ist es, in bestimmten Ausnahmefällen rasch in verfahrensrechtlicher Hinsicht Klarheit darüber zu schaffen, welches Gericht über einen Rechtsstreit zu entscheiden hat. Die Rechtswirkung einer Entscheidung nach § 58 Abs. 1 SGG beschränkt sich darauf, alleine im Verhältnis der beiden Gerichte zueinander festzulegen, wer den Streitfall zu bearbeiten hat. Diese enge Auslegung ist schon wegen des für prozessuale Vorschriften geltenden Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit (vgl. BSG vom 24.05.2006 - B 3 KR 15/05 R) geboten. Mit der Entscheidung nach § 58 Abs. 1 SGG trifft das nächsthöhere Gericht ohnehin - ebensowenig wie das Präsidium eines Gerichts - keine Entscheidung darüber, ob der von ihm bestimmte Spruchkörper materiellrechtlich tatsächlich zuständig ist. Eine Überprüfung, ob die fachlich zuständige Kammer und mit ihr die zur Entscheidung berufenen ehrenamtlichen Richter - also die gesetzlichen Richter - tätig geworden sind, erfolgt ggf. alleine durch das Rechtsmittelgericht (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, §...