Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Abgrenzung einer sozialversicherungspflichtigen von einer selbständigen Tätigkeit bei einer geschäftsführergleichen Tätigkeit in einer GmbH. Voraussetzung der Erhebung von Säumniszuschlägen bei der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Anforderungen an den Umfang der Feststellungspflicht der Einzugsstelle
Orientierungssatz
1. Bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen wegen nachträglich erhobener Sozialversicherungsbeiträge ist in jedem Einzelfall individuell festzustellen, dass keine unverschuldete Unkenntnis von der Beitragspflicht bestand. Dagegen genügen pauschale Hinweise auf die beim Beitragsschuldner durch eine fachkundige Person oder Abrechnungsstelle erfolgten Abrechnungen der Ermittlungspflicht nicht.
2. Einzelfall zur Abgrenzung einer sozialversicherungspflichtigen von einer selbständigen Tätigkeit bei einer geschäftsführergleichen Tätigkeit in einer GmbH.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.10.2015 teilweise geändert und im Hauptausspruch wie folgt gefasst: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 20.5.2015 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin Säumniszuschläge in Höhe von 4.767,00 EUR festgesetzt hat. Im Übrigen werden der Antrag der Antragstellerin abgelehnt und die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Antragstellerin vier Fünftel und die Antragsgegnerin ein Fünftel.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.511,20 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist hinsichtlich der im angefochtenen Prüfbescheid festgesetzten Hauptforderung begründet. Insoweit ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.5.2015 abzulehnen. Hinsichtlich der Säumniszuschläge hat das Sozialgericht (SG) dagegen zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet.
1. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils juris).
Ausgehend hiervon bestehen an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung keine überwiegenden Zweifel (2.), wohl aber hinsichtlich der Festsetzung von Säumniszuschlägen (3.).
2. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des - formell rechtmäßigen - Prüfbescheides durch die Antragsgegnerin ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versic...