Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtschutz gegen einen Beitragsbescheid. Betreuungskraft
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist bei einer im 24 Stunden-Dienst tätigen Betreuungskraft eine Weisungsgebundenheit und Eingliederung nicht zu ermitteln und ist die Vergütung im Einzelnen nicht zu klären, so ist bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes maßgeblichen summarischen Prüfung offen, ob die Tätigkeit einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit zuzuordnen ist.
3. In einem solchen Fall ist dem in Anspruch genommenen Schuldner auf Antrag einstweiliger Rechtschutz zu bewilligen. Die aufschiebende Wirkung der gegen den ergangenen Beitragsbescheid erhobenen Klage ist auf Antrag anzuordnen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 30.5.2017 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage (S 40 R 1573/17, Sozialgericht Köln) der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017 wird mit Ausnahme der Beitragsforderung betreffend Q, M, S und T und darauf entfallender Säumniszuschläge angeordnet. Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 242.062,62 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die am 26.6.2017 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 6.6.2017 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 30.5.2017 ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegt worden.
Nach dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017 erstreckt sich das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer zum SG Köln erhobenen, unter dem Az. S 40 R 1573/17 anhängigen Klage gegen den Bescheid vom 13.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist mit Ausnahme der Beitragsforderung betreffend Q, M, S und T zudem begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 13.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2017 ist in entsprechendem Umfang anzuordnen.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER, ASR 2014, 26 ff.).
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgeb...