Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. unangemessene Unterkunftskosten. Kostensenkungsaufforderung. Ablauf des Übergangszeitraums. Anwendung der Übergangsregelung während der Corona-Pandemie. Angemessenheitsfiktion. Regelungszweck. keine Verlängerung. Weiterbewilligung)

 

Orientierungssatz

1. Ein Kostensenkungsverfahren scheidet im Geltungszeitraum des § 67 SGB II nicht generell aus. Nach Ablauf der sechs Monate gilt die allgemeine Regelung des § 22 Abs 1 SGB II wieder, wobei der Zeitraum nach § 67 Abs 3 S 1 SGB II auf die in § 22 Abs 1 S 3 SGB II genannte Frist anzurechnen ist. Die Regelung gilt auch unabhängig davon, ob die Leistungen im Geltungszeitraum des § 67 SGB 2 für den Zeitraum von 6 Monaten oder 12 Monaten bewilligt worden sind.

2. Der Regelungszweck des § 67 SGB 2 liegt darin, dass die von den Auswirkungen der Pandemie Betroffenen sich kurzfristig nicht auch noch um ihren Wohnraum sorgen müssen. Von einem kurzfristigen Verlust dürfte jedoch nach über einem Jahr im SGB II-Leistungsbezug nicht mehr ausgegangen werden.

3. Auch wenn die Geltungsdauer des § 67 Abs 3 SGB II mehrfach verlängert wurde, ist dem Wortlaut keine Verlängerung der Angemessenheitsfiktion auf den gesamten Geltungsbereich zu entnehmen.

4. Neben der erstmalig in den Zeitraum des § 67 SGB II fallenden Erstbewilligung ist auch nur die erstmalig in den Zeitraum des § 67 SGB II fallende Weiterbewilligung vom Anwendungsbereich des § 67 SGB II erfasst.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 11.03.2022 abgeändert und der Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung der Unterkunfts- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe für die Zeit ab dem 06.03.2022 bis zum 31.05.2022 zu gewähren, abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Hälfte der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde noch gegen die vorläufige Verpflichtung zur Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung für die die Zeit vom 06.03.2022 bis zum 31.05.2022.

Der am 00.00.1982 geborene Antragsteller zu 1) ist der Ehemann der am 00.00.1990 geborenen Antragstellerin zu 2). Die Antragsteller zu 3) bis 5) sind die minderjährigen Kinder der Antragsteller zu 1) und 2). Sie bewohnen gemeinsam ein Haus zur Miete im B-Straße 29 in U. Hierfür sind eine monatliche Kaltmiete von 940,- EUR, Kosten für die Miete eines Stellplatzes in Höhe von 60,- EUR sowie Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 140,- EUR zu zahlen, ferner Vorauszahlungen für Heizkosten in Höhe von 120,- Euro und für Wasser in Höhe von 93,- Euro.

Die Antragsteller beantragten am 22.12.2020 erstmalig die Gewährung von Leistungen bei dem Antragsgegner. Dieser bewilligte ihnen zunächst jeweils vorläufig Leistungen nach dem SGB II die Zeiträume vom 01.12.2020 bis 31.05.2021 sowie vom 01.06.2021 bis zum 30.11.2021 unter Berücksichtigung von Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 1.353,- EUR monatlich. Dieser Betrag wurde - auf entsprechende Bitte des Antragstellers zu 1) vom 21.01.2021 - insgesamt an den Vermieter gezahlt. Mit Schreiben vom 24.06.2021 wies der Antragsgegner darauf hin, dass die anfallenden Unterkunfts- und Heizkosten unangemessen seien und forderte die Antragssteller zur Kostensenkung bis zum 01.01.2022 auf. Angemessen seien nach der Gesamtangemessenheitsgrenze lediglich 984,64 EUR.

Am 06.12.2021 beantragten die Antragsteller die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 30.12.2021 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2021 bis 31.05.2022, wobei er ab dem 01.01.2022 lediglich noch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 984,64 EUR berücksichtigte. Gleichwohl wurde dem Vermieter der Antragsteller weiterhin ein Betrag von 1.353,- Euro gezahlt.

Mit Schreiben vom 22.02.2022 beantragten die Antragsteller nach einer Stromsperre durch den Energieversorger die darlehensweise Übernahme von Energieschulden, welche der Antragsgegner mit Bescheid vom 24.02.2022 ablehnte.

Mit Bescheid vom 04.03.2022 bewilligte der Antragsgegner endgültig Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2021 bis 31.05.2022. Dabei berücksichtigte er Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01.01.2022 weiterhin in Höhe von 984,64 Euro. Der Vermieter der Antragsteller wurde wiederum als Zahlungsempfänger für die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe von 1.353,- Euro ausgewiesen, die den Antragstellern bewilligten Regelbedarfe in entsprechend geringerer Höhe ausgezahlt. Hiergegen legten die Antragsteller am 06.03.2022 Widerspruch ein.

Am 06.03.2022 haben die Antragsteller bei dem Sozialgericht Detmold (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der sie die Gewährung eines Darlehens für Stromschuld...

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