Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Berufung bei einer Feststellungsklage über die Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG ist eine Berufung bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750.- €. übersteigt. Bei einem Feststellungsantrag muss das Gericht den Wert ermitteln.

2. Mit der zweiten Alternative sind Bescheide gemeint, deren Regelungswirkung die Geld-, Sach- oder Dienstleistung nicht unmittelbar betrifft, sondern eine Vorfrage regeln, die ausschließlich für die Bewilligung einer Geld-, Sach- oder Dienstleistung relevant ist (BSG Urteil vom 6. Oktober  2011, B 9 SB 45/11 B).

3. Die Aufforderung des Grundsicherungsberechtigten durch den Grundsicherungsträger zur Meldung nach § 59 SGB 2 i. V. m. § 309 SGB 3 ist auf eine Geldleistung gerichtet, weil die einzige Rechtsfolge bei Nichtbefolgung der Aufforderung eine Sanktion sein kann, die unter den Voraussetzungen des § 32 SGB 2 zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes 2 oder Sozialgeldes führt.

4. Würde die Minderung des Arbeitslosengeldes 2 im Fall der Nichtbeachtung der Einladung den Betrag von 750.- €. nicht überschreiten, so ist die Berufung gegen das ergangene Urteil nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG unzulässig.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 27.07.2016 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen drei Meldeaufforderungen.

Die Beschwerde ist gem. § 172 Abs. 3 Nr. 2 b SGG unzulässig. In der Hauptsache würde eine Berufung der Zulassung bedürfen.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist eine Berufung bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750,00 EUR übersteigt. Der Beschwerdewert bestimmt sich danach, was das Sozialgericht einem Rechtmittelführer versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird. Bei einem Feststellungsantrag muss das Gericht den Wert ermitteln (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 144 Rn. 14 und 15b m.W.N.).

Bei den angegriffenen Aufforderungen vom 24.03.2015, 10.06.2015 und 23.02.2016 handelt es sich um auf eine Geldleistung gerichtete Verwaltungsakte iSd § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG.

Die Aufforderungen stellen jeweils einen Verwaltungsakt dar. Nach § 59 SGB II sind die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht nach § 309 SGB III im SGB II entsprechend anwendbar. Danach haben sich erwerbsfähige Hilfebedürftige während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erheben, bei der in der Meldeaufforderung bezeichneten Stelle des zuständigen Leistungsträgers persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn der Leistungsträger dazu auffordert. Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der Berufsberatung (1.), Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit (2.), Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen (3.), Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren (4.) und Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch (5.) erfolgen (§ 59 SGB II iVm § 309 Abs. 1 und 2 SGB III). Gemäß § 39 Nr. 4 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung. Eine derartige Regelung setzt voraus, dass die Meldeaufforderung als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist (vgl. hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 20.06.2011 - L 7 AS 255/10).

Die Verwaltungsakte sind jeweils auf eine Geldleistung gerichtet (ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. Urteil vom 29.01.2015 - L 7 AS 1306/14). Der Wortlaut der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG enthält zwei Alternativen. Die Vorschrift betrifft einerseits Klagen, die unmittelbar eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung betreffen (z.B. die Anfechtung von Ablehnungsbescheiden über Ansprüche auf Arbeitslosengeld II oder Klagen auf höhere Leistungen) und andererseits Klagen, die einen auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichteten Verwaltungsakt betreffen. Mit der zweiten Alternative sind Bescheide gemeint, deren Regelungswirkung die Geld-, Sach- oder Dienstleistung nicht unmittelbar betrifft, sondern die eine Vorfrage regeln, die ausschließlich für die Bewilligung einer Geld-, Sach- oder Dienstleistung relevant ist (für die Untätigkeitsklage BSG, Urteil vom 06.10.2011 - B 9 SB 45/11 B; für die Feststellung der Notwendigkeit einer Hinzuziehung eines Bevollmächtigten gemäß § 63 Abs. 2 SGB X LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.10.2013 - L 19 AS 1101/13 NZB). Diese sic...

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