Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten von dem zu den ordentlichen Gerichten - Schadensersatzanspruch der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, bestimmt sich entsprechend §§ 13 GVG, 51 SGG nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.
2. Eine Streitigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung liegt vor, wenn sie ihre materiell-rechtliche Grundlage im Recht der GKV hat.
3. Macht die Krankenkasse gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung geltend, so ist nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten, sondern zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Hat der Beklagte gegenüber der Krankenkasse Arbeitsverhältnisse durch Strohmänner bzw. Scheinunternehmen vorgetäuscht und wurden daraufhin Leistungen nach dem SGB 5 durch die Krankenkasse bewilligt, so ist für den hieraus resultierenden Schadensersatzanspruch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21. März 2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.778,50 EUR festgesetzt.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Die am 12. April 2023 gegen den ihr am 4. April 2023 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 21. März 2023 schriftlich eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden ( § 173 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫, vgl. Bundessozialgericht ≪BSG≫, Beschluss vom 29. September 1994 - 3 BS 2/93 - juris) und im Übrigen gemäߧ 17a Abs. 2 , 4 Satz 1, 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)i.V.m. §§ 202 , 172 SGG statthaft (BSG, Beschluss vom 5. Mai 2021 - B 6 SF 11/20 R - juris). § 98 Satz 2 SGG steht dem nicht entgegen. Danach sind Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 GVG unanfechtbar. Diese Vorschrift ist indes nicht bei der - vorliegend relevanten - Rechtswegverweisung nach § 17a Abs. 2 GVG anwendbar (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage, § 98 Rn. 3; Keller a.a.O., § 51 Rn. 54; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ≪LSG NRW≫, Beschluss vom 25. Juli 2019 - L 20 SO 60/19 B ;LSG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2022 - L 7 AS 1066/21 B - juris; Senat, Beschluss vom 24. Mai 2022 - L 11 KR 202/22 B KH - juris).
2. Die Beschwerde ist unbegründet, denn das SG war dazu berechtigt eine Verweisung an das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Köln auszusprechen.
a) Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 73.892,48 EUR zzgl. Zinsen. Die Beklagten sind rechtskräftig wegen Betrugs in diversen Fällen verurteilt worden (Landgericht ≪LG≫ Köln, Urteil vom 8. Februar 2019 - 106 KLs 3/15 ; Bundesgerichtshof ≪BGH≫, Beschluss vom 13. April 2021 - 2 StR 235/20 ). Zusammenfassend hat sich folgender Tatvorwurf bestätigt: Die hiesigen Beklagten zu 1) und 3) erlangten u.a. von der Klägerin Leistungen nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlungen (AAG) und Krankengeldzahlungen nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Dafür meldeten sie Scheinpersonen bei mehreren Krankenkassen - u.a. der Klägerin - an und gaben den Krankenkassen gegenüber anschließend unter Vorlage entsprechender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Krankengeldzahlscheinen vor, dass die Personen arbeitsunfähig erkrankt seien. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erlangten sie teilweise von dem Beklagten zu 2). Die Beklagten zu 1) und 3) beantragten und bezogen unter dem Deckmantel der Scheinarbeitgeber bzw. -arbeitnehmer aufgrund des bei den Krankenkassen jeweils erregten Irrtums sowohl Leistungen nach dem AAG als auch Krankengeld. Die entsprechend erbrachten Zahlungen fordert die Klägerin in dem vorliegenden Verfahren nunmehr zurück.
b) Für dieses Begehren ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Nach § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gehören vor die ordentlichen Gerichte die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
Es fehlt an einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von§ 51 SGG . Diese Abgrenzung ist von der Sache her zu treffen. Ausgangspunkt für die Prüfung...