Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Sozialgerichts für den Schadensersatzanspruch eines pharmazeutischen Unternehmens gegen die Krankenkasse wegen Verstoßes gegen einen Rabattvertrag
Orientierungssatz
1. Die Zuständigkeitsvorschriften des SGG einschließlich des § 51 SGG sind zwingend und begründen ausschließliche Zuständigkeiten. Es ist entscheidend für die Abgrenzung zur ordentlichen Gerichtsbarkeit darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialrechts geprägt wird.
2. Erhebt ein pharmazeutisches Unternehmen gegenüber der Krankenkasse den Vorwurf, sie sei ihren Lieferpflichten aus einem nach § 130a Abs. 8 SGB 5 geschlossenen Rabattvertrag nicht nachgekommen und hieraus resultiere ein Schadensersatzanspruch, so liegt der Schwerpunkt des Rechtstreits insgesamt im Bereich von Ansprüchen aus dem öffentlich-rechtlichen Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung.
3. Damit ist die Zuständigkeit des Sozialgerichts gegeben. Die Sozialgerichte entscheiden nach § 51 Abs. 2 S. 1 SGG auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden.
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 10.07.2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 128.043,20 Euro festgesetzt.
Gründe
Die statthafte (§ 17 Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 172 SGG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) Köln hat in dem angefochtenen Beschluss zu Recht festgestellt, dass der beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zulässig ist.
Das Vorbringen der Beklagten im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Beklagte trägt hier insbesondere vor, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht eröffnet sei, da diese Vorschrift eng auszulegen sei. Es handele sich um eine privatrechtliche Streitigkeit, da Rabattverträge allgemein keine öffentlich-rechtlichen Verträge seien. Überdies handele es sich auch nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung.
Dies überzeugt nicht. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten unter anderem in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen sind. Etwas anderes gilt nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 HS 2 SGG für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 SGB V aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser gelten. Außerdem sind die Sozialgerichte nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SSG zuständig für privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Ausgenommen von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind nach § 51 Abs. 3 SGG Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen.
Die Zuständigkeitsvorschriften des SGG einschließlich des § 51 SGG sind zwingend und begründen ausschließliche Zuständigkeiten. Im Regelfall sind daher sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Rechts- und Pflichtenkreis der Krankenkassen, der unmittelbar ihre öffentlichen Aufgaben betrifft, den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen (vgl. BSG, Beschl. v. 28.09.2010 - B 1 SF 1/10 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Die Zulässigkeit des Rechtswegs richtet sich nach dem Streitgegenstand, der durch den geltend gemachten prozessualen Anspruch, das heißt durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Sachverhalts festgelegt wird (st. Rspr., vgl. BSG, Beschl. v. 22.04.2008 - B 1 SF 1/08 R -, juris Rn. 26 m.w.N.). Die Frage, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt (st. Rspr., vgl. BSG, Beschl. v. 28.09.2010 - B 1 SF 1/10 R -, juris Rn. 17 m.w.N.; Beschl. v. 06.09.2007 - B 3 SF 1/07 R -, juris Rn. 9). Die Abgrenzung ist dabei von der Sache her zu treffen, wobei Ausgangspunkt für die Prüfung die Frage sein muss, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt ist. Auch wenn ein Anspruch mit bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten begründet wird, kann es sich in Wahrheit um einen Anspruch aus öffentlich-rechtlichen Beziehungen handeln, für...