Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Zusammenleben der Partner in einem gemeinsamen Haushalt zur Annahme einer Bedarfsgemeinschaft
Orientierungssatz
Unter einem Zusammenleben der Partner i. S. von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB 2 ist zur Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mehr als ein bloßes Zusammenwohnen zu verstehen. Die Vorschrift erfordert das Bewohnen eines gemeinsamen Wohnung und ein Wirtschaften der Partner aus einem Topf. Entscheidend für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft ist, dass der Haushalt von beiden Partnern gemeinsam geführt wird. Die Haushaltsführung und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssen gemeinschaftlich erfolgen. Ausreichend ist eine Absprache der Aufteilung untereinander.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.12.2016 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
- den Antragstellern vom 01.04.2017 bis zum 30.06.2017, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (ohne Mehrbedarfe) ohne Zugrundelegung einer Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller mit Frau H zu zahlen,
- den Antragstellern vom 02.11.2016 bis zum 30.06.2017, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, Kosten für Unterkunft und Heizung zu zahlen, und zwar bis zum 31.03.2017 unter Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau H, anschließend ohne diese.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T, H, bewilligt.
Gründe
Im nur von den Antragstellern eingeleiteten Beschwerdeverfahren ist noch streitig, ob den Antragstellern höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung von Frau H als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu zahlen ist und ob ihnen einstweilig Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen.
Für die Zeit vom 02.11.2016 bis zum 01.05.2017 ergibt sich die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung der Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs unter Berücksichtigung von Frau H als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, aber ohne Anrechnung von deren evtl. Einkommen, aus der Entscheidung des Sozialgerichts. Dieses hat den Antragsgegner zur Leistungszahlung "nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften" verpflichtet. Zwar ist ein Ausspruch dem Grunde nach in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 SGG auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zulässig (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl § 86b Rn 30; hierzu auch Bayerisches LSG Beschluss vom 01.07.2016 - L 7 AS 350/16 B ER), feststehen muss jedoch, dass die Leistungsvoraussetzungen dem Grunde nach vorliegen. Zu diesen Leistungsvoraussetzungen dem Grunde nach gehört auch die Hilfebedürftigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 SGB II). Diese Anspruchsvoraussetzung kann daher bei einem Verpflichtungstenor dem Grunde nach nicht offen gelassen werden. Dementsprechend hat das Sozialgericht in den Gründen der Entscheidung auch ausgeführt, dass es "jedenfalls nicht von einem Einkommen der Zeugin H im Rahmen der einstweiligen Rechtsschutzverfahrens" ausgeht. Ob diese Annahme zutrifft, kann dahinstehen, denn der Antragsgegner hat keine Beschwerde gegen den zusprechenden Teil der Entscheidung eingelegt. Die Tenorierung des Sozialgerichts "unter Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau H" ist daher nur in Bezug auf die Höhe des den Antragstellern zustehenden Regelbedarfs zu verstehen.
Die Beschwerde der Antragsteller ist begründet, soweit die Zeit ab 01.04.2017 betroffen ist und soweit Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt werden. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl BSG Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B).
Dies berücksichtigend haben die Antragsteller im tenorierten Umfang sowohl...