Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Krankenversicherungsschutzes für einen Leistungsempfänger nach dem SGB II (juris Abk SGB 2)
Orientierungssatz
1. Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum umfasst die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung. Sind nicht verschreibungspflichtige Mittel für den Hilfebedürftigen gesundheitlich unabdingbar und führt deren Nichteinnahme zu irreparablen Gesundheitsstörungen, muss die gesetzliche Krankenkasse eintreten, vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R.
2. Der Anspruch des Hilfebedürftigen auf Existenzsicherung im medizinischen Bereich ist in erster Linie durch dessen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckt. Die Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn diese Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten.
3. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem SGB II (juris SGB 2) keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem SGB V (juris Abk SGB 5).
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 20.12.2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zu Recht wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt.
Der Senat nimmt zunächst gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug auf die für zutreffend erachteten Ausführungen im angefochtenen Beschluss, die Hinweise des Kammervorsitzenden vom 02.01.2012 und die Begründung im Beschluss des SG vom 20.05.2011 (S 29 AS 1647/11 ER), die den Beteiligten bekannt ist.
Der Vortrag in der Beschwerdebegründung vom 23.02.2012 gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Insbesondere bedarf es im vorliegenden Verfahren weder einer Beiladung des Sozialhilfeträgers noch der Einholung des angeregten Sachverständigengutachtens.
Wenn man als zutreffend unterstellt, dass die Einnahme der hier in Rede stehenden nicht verschreibungspflichtigen Mittel für den Kläger gesundheitlich unabdingbar ist und die Nichteinnahme zu irreparablen Gesundheitsstörungen führt, muss die gesetzliche Krankenkasse eintreten. Das BSG hat in seinem Urteil vom 26.05.2011 (B 14 AS 146/10 R Rdnr. 23 und 24) folgende Ausführungen gemacht:
"Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG umfasst auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung.
Der Anspruch auf Existenzsicherung insoweit wird im Fall der Klägerin - wie für den ganz überwiegenden Teil der Hilfebedürftigen - in erster Linie durch ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 5 Abs 2a SGB V) abgedeckt, deren Beiträge der Träger der Grundsicherung zahlt (§ 252 Abs 1 Satz 2 SGB V) und der Bund trägt (§ 46 Abs 1 SGB II). Die Klägerin hat als Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Dies gilt allerdings auch hinsichtlich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht schlechthin und ausnahmslos, denn § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V ermächtigt den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung des Vertragsarztes ausnahmsweise verordnet werden können. Hiervon hat der G-BA Gebrauch gemacht und seine Arzneimittel-Richtlinien mit Beschluss vom 16.3.2004 um einen Abschnitt F ergänzt (vgl BAnz 2004 S 8905, nunmehr § 12 der Arzneimittel-Richtlinien). Die Verordnung dieser Arzneimittel ist danach ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Dabei gilt eine Krankheit als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.
Damit ist ohne weitere Ermittlungen seitens der Träger der Grundsicherung davon auszugehen, dass grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen durch eine nicht ausreichende Krankenbehandlung, die durch ergänzende Leistungen der Grundsicherung abzuwenden wären, ausscheiden.
Die Frage, ob die Kosten für Arzneimittel als Teil einer Krankenbehandlung übernommen werden, muss der Hilfebedürftige gegenüber seiner Krankenkasse klären. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem SGB II keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem SGB V, die Versicherungsschutz insbesondere ...