Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutz bei Vorbefassung des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren
Orientierungssatz
1. Der reduzierte Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG kommt auch im gerichtlichen Eilverfahren zur Anwendung. Erforderlich ist insoweit lediglich, dass der Rechtsanwalt in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren tätig war. Auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geht es um denselben Lebenssachverhalt wie beim Hauptsacheverfahren. Wegen der bestehenden Synergieeffekte beträgt bei einem Gebührenrahmen von 20.- bis 320.- €. die Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach Nrn. 3102, 3103 VV RVG 170.- €. .
2. Die bloße verfahrensbeendende Erklärung des Rechtsanwalts im Eilverfahren mit der Annahme eines Anerkenntnisses als auch eine Rücknahmeerklärung oder eine andere Erledigungserklärung stellt keine über die normale Prozessführung hinausgehende qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung dar. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG fällt damit nicht an.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.07.2015 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der von der Staatskasse im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe (PKH) zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG - ) in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Jahr 2013 umstritten.
Der durch den Beschwerdeführer vertretene Antragsteller begehrte im zugrunde liegenden Eilverfahren nach einem Wohnungsumzug mit Antrag vom 26.07.2013 beim SG höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Das Jobcenter hatte die Kosten der neuen Unterkunft nicht vollständig übernommen (Bewilligungsbescheid vom 01.07.2013). Dem Widerspruch des Antragstellers vom 19.07.2013 half es während des gerichtlichen Eilverfahrens teilweise ab, indem KdU zumindest in Höhe der Kosten der bisherigen Wohnung übernommen wurden. Die dadurch entstehende Nachzahlung wurde überwiesen. Der Antragsteller erklärte das Eilverfahren am 15.08.2013 für erledigt.
Aufgrund des PKH bewilligenden Beschlusses des SG vom 15.08.2013 hat der Beschwerdeführer mit Rechnung vom gleichen Tage folgende Gebühren und Auslagen gegen die Landeskasse geltend gemacht:
1. Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 Euro
2. Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 200,00 Euro
3. Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
4. MwSt 19% Nr. 7008 VV RVG 98,80 Euro
Insgesamt 618,80 Euro
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Verfahrensgebühr wegen Vorbefassung des Rechtsanwaltes mit dem Sachverhalt in einem Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren nach Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV RVG) bemessen, die Erledigungsgebühr abgesetzt und die Gebühren mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.08.2013 auf
1. Verfahrensgebühr Nr. 3102, 3103 VV RVG 170,00 Euro
2. Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
3. MwSt 19% Nr. 7008 VV RVG 36,10 Euro
Insgesamt 226,10 Euro
festgesetzt. Mit der Erinnerung vom 02.09.2013 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers den Ansatz der reduzierten Verfahrensgebühr beanstandet. Eine Vorbefassung mit der Angelegenheit habe nicht vorgelegen. Er sei zwar auch mit dem entsprechenden Widerspruchsverfahren betraut gewesen. Dieses ginge jedoch der Hauptsache und nicht dem Eilrechtsschutzverfahren voraus. Darüber hinaus sei eine Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG angefallen, da seine Tätigkeit die Erledigung der Sache doch erheblich gefördert habe. So habe der Antragsgegner aufgrund seiner Ausführungen von der vorherigen rechtlichen Einschätzung Abstand genommen. Seine Tätigkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren habe daher maßgeblich zur Beendigung des Rechtsstreites beigetragen.
Der Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Festsetzung für zutreffend erachtet.
Das SG hat durch Beschluss vom 10.07.2015 die Erinnerung zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung.
Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr sei hier der Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen. Der Beschwerdeführer habe sich vor Anrufung des Gerichts zunächst an den Antragsgegner gewandt und sei damit jedenfalls im Verwaltungsverfahren tätig gewesen. Der reduzierte Gebührenrahmen komme auch in gerichtlichen Eilverfahren zur Anwendung, da lediglich erforderlich sei, dass eine Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem vorangegangenen - nicht notwendigerweise abgeschlossenen - Verwaltungsverfahren vorliegen müsse. Weder der Wortlaut des Gebührentatbestandes, noch dessen Sinn und Zweck geböten eine einschränkende Auslegung. Nr. 3103 VV RVG setze zwar ein zeitlich früheres Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren voraus,...