Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der im einstweiligen Rechtsschutz anfallenden Verfahrensgebühr
Orientierungssatz
1. Der verringerte Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG für die vom Rechtsanwalt verdiente Verfahrensgebühr knüpft an das Tatbestandsmerkmal des vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens an. Danach erscheint die typisierende Annahme eines Synergieeffektes auf die Fälle beschränkt, in denen über die zeitliche Nachfolge des weiteren Verfahrens hinaus auch eine Identität der Streitgegenstände im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren und im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren besteht.
2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 2 SGG ist über die im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren streitgegenständliche Frage des materiell-rechtlichen Anspruchs hinaus zusätzlich die Auseinandersetzung damit erforderlich, ob ein Anordnungsgrund i. S. der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung vorliegt. Die typisierende Annahme eines Synergieeffektes zur Reduzierung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG ist daher regelmäßig nicht gerechtfertigt.
3. Die Annahme einer geminderten Bedeutung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 86 b SGG entspricht der gerichtlichen Praxis, wonach bei der im einstweiligen Rechtsschutz anfallenden Verfahrensgebühr von einer auf 2/3 reduzierten Mittelgebühr auszugehen ist, vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R.
Tenor
Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.01.2010 geändert. Die der Beschwerdegegnerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 160,65 EUR festgesetzt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der nach abgeschlossenem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung.
Mit Bescheid vom 17.02.2009 bewilligte der Antragsgegner der aus der Antragstellerin und ihrem Partner bestehenden Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) unter Ansatz eines nachgewiesenen Nettoerwerbseinkommens im Februar 2009 i.H.v. 339,56 EUR sowie geschätzter zu erwartender Nettoeinkünfte von 400,00 EUR monatlich im Folgezeitraum bis zum 31.07.2009.
Ihren anwaltlich begründeten Widerspruch gegen diesen Bescheid, der beim Antragsgegner am 05.03.2009 einging, - sowie den am 06.03.2009 im hier zugrundeliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung höherer Leistungen - hat die Antragstellerin mit der Erwartung begründet, sie werde auch in den Folgemonaten monatlich Nettoeinkünfte von 339,56 EUR erzielen. Hierzu hat die Antragstellerin auf Aufforderung des Sozialgerichts ihre Lohnabrechnungen für den Zeitraum von November 2008 bis einschließlich Februar 2009 vorgelegt. Der Antragsgegner hat daraufhin mit Bescheid vom 17.03.2009 Leistungen nach dem SGB II unter Ansatz eines erwarteten monatlichen Nettoerwerbseinkommens der Antragstellerin von 339,56 EUR bis einschließlich Juli 2009 bewilligt.
Mit Beschluss vom 25.03.2009 hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und angefragt, ob das Verfahren für erledigt erklärt werde, was am 26.03.2009 geschah.
Mit Antrag vom 27.03.2009 hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, die Beschwerdegegnerin, die Festsetzung folgender Vergütung beim Sozialgericht beantragt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) 250,00 EUR
Erledigungsgebühr (Nrn. 1005, 1006 VV RVG) 190,00 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR
Zwischensumme: 460,00 EUR
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 87,40 EUR
Gesamtsumme: 547,40 EUR.
Am 02.04.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen festgesetzt auf 160,65 EUR und hierbei folgende Einzelpositionen berücksichtigt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 115,00 EUR
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR
Zwischensumme: 135,00 EUR
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 25,65 EUR
Gesamtsumme: 160,65 EUR.
Nr. 3103 VV RVG finde Anwendung im Hinblick auf die vorherige Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im Widerspruchsverfahren. Eine Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG sei nicht entstanden.
Gegen die Nichtberücksichtigung der Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG und die Kürzung der Verfahrensgebühr hat die Beschwerdegegnerin Erinnerung eingelegt, der Beschwerdeführer dieser widersprochen.
Mit Beschluss vom 29.01.2010 hat das Sozialgericht der Erinnerung teilweise entsprochen, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 02.04.2009 abgeändert und unter Zurückweisung der Erinnerung im Übrigen die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 321,30 EUR festgesetzt. Eine Gebühr nach Nrn. 1005, 1006 VV RVG sei nicht entstanden. Die Verfahrensgebühr richte sich nicht nach Nr. 3103 VV RVG, sondern in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Nr. 3102 VV RVG. Innerhalb des so gegebenen Gebührenrahmens sei der Ansatz einer Mittelgebühr gerechtfertigt. Auf die weitere Begründung des Bes...