Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktion der Zusicherung beim Umzug des SGB 2-Leistungsempfängers
Orientierungssatz
1. Das Zusicherungsverfahren nach § 22 Abs. 2 SGB 2 hat eine Aufklärungs- und Warnfunktion. Es soll verhindern, dass ein Leistungsbezieher ohne zureichenden Grund umzieht und/oder unangemessenen Wohnraum anmietet. Ist der Umzug bereits vollzogen, so entfällt das Bedürfnis für die Zusicherung dann, wenn der Leistungsträger über die Kosten der neuen Unterkunft bereits eine Entscheidung getroffen hat.
2. Die in einem solchen Fall statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage setzt zu ihrer Zulässigkeit u. a. Wiederholungsgefahr voraus, d. h. die konkret absehbare Möglichkeit, dass innerhalb der nahen Zukunft eine gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zu Lasten des Klägers zu erwarten ist. Hat der Kläger die neue Wohnung bereits bezogen und ist die Absicht für einen erneuten Umzug nicht erkennbar, so ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.08.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Klägerin, die mit ihrem am 00.00.2008 geborenen, schwerbehinderten (GdB 100%, Merkzeichen G, H, RF) Sohn - Kläger zu 2) - zusammenlebt und seit dem 01.01.2010 für sich allein Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) bezieht, beantragte im Februar 2010 die Zustimmung der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter) zur Anmietung einer größeren, im Gegensatz zu ihrer bisherigen im Erdgeschoss liegenden Wohnung. Der Beklagte lehnte die Zustimmung ab, weil die Wohnung nicht angemessen sei (Bescheid vom 04.02.2010).
Die Klägerin zu 1) legte hiergegen Widerspruch ein und unterschrieb am 06.03.2010 den Mietvertrag für die neue Wohnung.
Der Beklagte, der der Klägerin mit Bescheid vom 09.03.2010 Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2010 weiterbewilligte, wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.03.2010).
Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19.08.2010 Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Beklagte die Zusicherung im Hinblick auf die Unangemessenheit der Wohnung zu Recht abgelehnt habe.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Es hat allerdings verkannt, dass sich das Zusicherungsbegehren der Kläger infolge des Einzugs in die neue Wohnung zum 01.04.2010 erledigt hat.
Die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II, die als Verwaltungsakt ergeht (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn 83), ist anders als die Zustimmung nach § 22 Abs. 3 bezüglich der Umzugskosten (vgl. dazu BSG Urt. 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R - = www. juris.de Rn 13) nicht Voraussetzung für den Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II (BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn 27; Berlit a.a.O. § 22 Rn 79; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn 66 jeweils m.w.N.). Das Zusicherungsverfahren hat vielmehr allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion, um zu verhindern, dass Leistungsbezieher ohne zureichenden Grund umziehen und/ oder unangemessenen Wohnraum anmieten (Berlit a.a.O.). Ist der Umzug aber bereits vollzogen, entfällt das Bedürfnis für die Zusicherung jedenfalls dann, wenn wie hier der Leistungsträger über die Kosten der (neuen) Unterkunft bereits eine Entscheidung getroffen hat.
Für die in solchen Fällen allein statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage auf Ausspruch des Gerichts über die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes fehlt den Klägern das berechtigte Interesse im Sinne des § 131 Abs. 1 S. 3 SGG. Dieses kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein und wird für den Fall einer Wiederholungsgefahr, eines Rehabilitationsbedürfnisses, der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs oder bei Präjudizialität des Verfahrens angenommen (vgl. BSG Urt. v. 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R = SozR 4-1500 § 131 Nr. 3 m.w.N.). Dem Kläger zu 2) fehlt ein Interesse schon deshalb, weil er nicht im Leistungsbezug nach dem SGB II steht. Aber auch bei der Klägerin liegt keiner der genannten Fälle vor.
Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare Möglichkeit voraus, dass innerhalb der nahen Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung oder Maßnahme zu Lasten der Klägerin zu erwarten ist (BVerwG Beschl. v. 29.04.2008 - 1 WB 11/07 = Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 31 m.w.N.). Es muss die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr bestehen, dass sich unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Sachverhalt wiederholt oder dass trotz veränderter Verhältnisse zumindest eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung zu erwarten ist, weil die Behörde eine entsprechende Absicht zu erkennen gegeben hat (vgl. BSG Urt. v. 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 4 Rn 7). Da ...