Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage bei erledigtem Anspruch auf Erteilung der Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung des Leistungsträgers über eine begehrte Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB 2 erfüllt die Anforderungen an einen Verwaltungsakt.
2. Mit ihrer Abgabe wird das Verhältnis zwischen Leistungserbringer und -empfänger dahin geregelt, dass die tatsächlichen Kosten der neuen Unterkunft angemessen i. S. des § 22 Abs. 1 SGB 2 und daher den zukünftigen Leistungsbewilligungen zugrunde zu legen sind.
3. Bei einer zwischenzeitlichen Erledigung des beantragten Verwaltungsaktes setzt eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu ihrer Zulässigkeit ein berechtigtes Interesse i. S. des § 131 Abs. 1 S. 3 SGG sowie u. a. das Bestehen einer Wiederholungsgefahr voraus.
4. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht regelmäßig, wenn der Leistungsträger den Umzug als solchen als nicht notwendig angesehen hat oder er die Zusicherung wegen Unangemessenheit der neuen Unterkunft abgelehnt hat.
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 26.11.2010 werden zurückgewiesen.
Gründe
Die Kläger, die in Bedarfsgemeinschaft Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) beziehen, beantragten bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter) die Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft. Dies lehnte Letzterer durch formloses Schreiben vom 09.06.2010 ab, weil der Umzug aufgrund ausreichenden Wohnraums nicht notwendig sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte als unzulässig zurück, weil durch die Ablehnung nicht in die Rechte der Kläger eingegriffen worden sei, sondern das Zusicherungsverfahren lediglich den Zweck habe, über die Angemessenheit der Unterkunftskosten vor deren Entstehung eine Entscheidung herbeizuführen und so für den Hilfebedürftigen das Entstehen einer erneuten Notlage infolge der nur teilweise Übernahme von Kosten zu vermeiden (Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010). Gleichzeitig teilte der Beklagte mit, dass das Vorbringen der Kläger die Notwendigkeit des Umzugs begründen könne, wegen der Unangemessenheit der in Aussicht genommenen Wohnung die Zusicherung aber gleichwohl nicht erfolgen könne.
Für die hiergegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) Dortmund Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26.11.2010 abgelehnt, weil, nachdem die neue Unterkunft, für die die Zusicherung begehrt worden sei, nicht mehr zur Verfügung stehe, den Klägern das erforderliche Feststellungsinteresse für die Fortsetzung des Verfahrens fehle.
Die dagegen gerichteten Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil das Klagebegehren nicht die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nach § 73a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) bietet.
Eine solche Erfolgsaussicht kann nicht schon daraus abgeleitet werden, dass der Beklagte den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig behandelt hat. Die Entscheidung des Leistungsträgers über die begehrte Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II erfüllt die Anforderungen an einen Verwaltungsakt (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn 83; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 Rn 67). Ein solcher ist nach § 31 S. 1 SGB Zehntes Buch (X) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hierunter fallen auch Zusicherungen im Sinne des § 34 SGB X (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 34 Rn 5 m.w.N.). Mit der Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II erkennt der Leistungsträger nicht nur die Berechtigung zum Umzug der Leistungsempfänger an, sondern er wird aufgrund dieser Entscheidung auch verpflichtet, die Kostenübernahme durch einen zukünftigen Leistungsbescheid für die neue Unterkunft in dem ihm angezeigten Umfang zu regeln (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn 69; Piepenstock in jurisPK, 2. Aufl., § 22 Rn 92). Damit stellt die Zusicherung aber eine Regelung mit entsprechender Außenwirkung auf dem Gebiet des öffentlichen Leistungsrechts dar.
Aus der von dem Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung (u. a. Beschl. des Senats v. 27.08.2009 - L 19 B 217/09 AS; BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R) folgt nichts anderes. Allein der Umstand, dass die Zusicherung nicht Voraussetzung für den Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft im Falle eines notwendigen Umzugs in eine angemessene Wohnung ist (BSG Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn 27) und aus diesem Grund die Verpflichtung des SGB II-Leistungsträgers zur Abgabe der Zusicherung in einstweiligen Rechtsschutz-Verfahren regelmäßig abgelehnt wird, enthebt die Zusicherung...