Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollstreckung einer auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen gerichteten einstweiligen Anordnung

 

Orientierungssatz

1. Für die einstweilige Aussetzung der Vollstreckung bedarf es regelmäßig besonderer rechtfertigender Umstände, die über die Nachteile hinausgehen, die für den Antragsteller mit der Zwangsvollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Titel als solcher verbunden sind, vgl. BSG, Beschluss vom 05. September 2001 - B 3 KR 47/01 R.

2. Weil das in der Hauptsache zur Bewilligung von Grundsicherungsleistungen geführte Eilverfahren darauf ausgerichtet ist, effizienten Rechtsschutz zu garantieren, bedarf es für eine vorläufige Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG der Glaubhaftmachung weiterer schwerer und unzumutbarer, nicht anders abwendbarer Beeinträchtigungen, die durch die Beschwerde nicht mehr beseitigt werden können.

3. Damit hat ein bei Zuerkennung existenzsichernder Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren nach § 199 Abs. 2 SGG gestellter Antrag nur in ganz seltenen Fällen Erfolg.

 

Tenor

Auf den Antrag des Antragstellers wird die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.03.2013 einstweilen ausgesetzt, soweit den Antragsgegnern Leistungen für die Zeit ab dem 01.06.2013 zuerkannt worden sind. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller trägt zwei Drittel der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner.

 

Gründe

Die Entscheidung beruht auf § 199 Abs. 2 SGG. Danach kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen, wenn das Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.

Der Aussetzungsantrag ist zulässig. Der vom Antragsteller mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Sozialgerichts vom 07.03.2013, ist ein vollstreckbarer Titel (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Mit ihm wurde der Antragsteller (als Antragsgegner im Hauptsacheverfahren) im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsgegnern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 13.02.2013 bis zum 28.02.2013 in Höhe von 447,42 EUR und für die Zeit vom 01.03.2013 bis zum 31.07.2013 in Höhe von monatlich 783,00 EUR zu zahlen. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (s § 175 Satz 1 und 2 SGG).

Der Antrag ist teilweise begründet. Die Anordnung nach § 199 Abs. 2 SGG, die Vollstreckung einstweilen auszusetzen, ist eine Ermessensentscheidung (s BSG SozR 4-1500 § 154 Nr. 1; LSG BW Beschl v 26.01.2006 -L 8 AS 403/06 ER; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Aufl § 199 Rn 8 mwN; aA BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Sie erfordert regelmäßig eine Abwägung des Interesses des Gläubigers an der Vollziehung mit dem Interesse des Schuldners, nicht vor der Beendigung des Instanzenzuges zu leisten (s Leitherer aa0 mwN). Bei der Bewertung der Umstände des Einzelfalls können auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels von Bedeutung sein (s BSG SozR 4 aa0). Für die einstweilige Aussetzung der Vollstreckung bedarf es aber regelmäßig besonderer rechtfertigender Umstände, die über die Nachteile hinausgehen, die für den Antragsteller mit der Zwangsvollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Titel als solcher verbunden sind. Dies folgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Rechtsmittel Berufung und Beschwerde schon grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben (§ 154 Abs. 1 iVm § 86 a; § 154 Abs. 2 SGG (Berufung); § 175 Satz 1 und 2 SGG (Beschwerde); vgl hierzu auch BSG Beschl v 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R) und - bezogen auf die hier eingelegte Beschwerde - keiner der in § 175 Satz 1 und 2 SGG aufgeführten Tatbestände gegeben ist, der ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung nach sich zieht.

Nach Maßgabe dieser Kriterien ergibt die Abwägung einen Vorrang der Interessen der Antragsgegner an der Vollziehung, d.h. am Erhalt der Leistungen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsgegner zu 2) über die Erzielung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit jedenfalls einen erheblichen Teil des Bedarfs der Antragsgegner zu decken in der Lage ist.

Bis dahin ist als Nachteil auf Seiten des Antragstellers lediglich zu berücksichtigen, dass er - würde die Zwangsvollstreckung nicht einstweilen ausgesetzt - eine etwaige Rückforderung ggfs. nicht realisieren kann, wenn auf die Beschwerde hin der angefochtene Beschluss ganz oder teilweise geändert wird. Weitere Umstände hat der Antragsteller weder geltend gemacht, noch sind sie ersichtlich. Das Interesse der Antragsgegner hingegen ist auf die Zahlung vorläufig zuerkannter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gerichtet. Dabei handelt es sich um existenzsichernde Leistungen. Ihre Gewährung entspricht einer verfassungsrechtlichen, dem Schutz der Menschenwürde dienenden Pflicht des Staates (vgl BVerfG Beschl v 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). In dieser Konstellation sind schon von vornehe...

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