Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Mietschulden bei der Bewilligung von Kosten der Unterkunft durch einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich sind Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB 2 bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen durch einstweiligen Rechtsschutz ab Antragstellung zu bewilligen.
2. Ausnahmsweise ist es gerechtfertigt, auch die Miete für vorausgegangene Monate als reguläre Unterkunftskosten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu berücksichtigen, wenn diese bereits Gegenstand einer Räumungsklage sind, weil die Übernahme der Unterkunftskosten zur Sicherung der Wohnung bzw. zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit erforderlich ist, vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 - B 14 AS 58/09 R.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.07.2012 (S 19 AS 2250/12 ER) und vom 17.07.2012 (S 3 AS 2316/12 ER) geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für den Zeitraum vom 01.05.2012 bis 30.08.2012 die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 665,00 Euro zu gewähren. Die Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 636,00 Euro ist an die Vermieterin oder einen anderen Empfangsberechtigten zu zahlen. Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt 1/2 der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller dem Grunde nach.
Gründe
Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 16.07.2012 (S 19 AS 2250/12 ER) und vom 17.07.2012 (S 3 AS 2316/12 ER), die mit Beschluss vom 13.08.2012 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen L 7 AS 1368/12 B ER fortgeführt wurden, sind teilweise begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Hinsichtlich des Begehrens der Antragsteller, ihnen auch Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren, liegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch nunmehr ein Anordnungsgrund vor.
Wie das SG in den Beschlüssen vom 16.07.2012 und 17.07.2012 zutreffend ausgeführt hat, besteht grundsätzlich ein Anspruch des Antragstellers und der Antragstellerin auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung. Denn die grundsätzliche Hilfebedürftigkeit des Antragstellers bzw. der Antragstellerin kann jedenfalls im Rahmen der im einstweiligen Anordnungsverfahren nur summarischen Prüfungsmöglichkeit nicht verneint werden. Dementsprechend hatte der erkennende Senat bereits dem Antragsteller im Beschluss vom 26.04.2012 (L 7 AS 552/12 B ER) ab dem 21.02.2012 (Antragstellung) die Regelleistungen vorläufig bis August 2012 (in Höhe von 70 %) zugesprochen.
Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls gegeben. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bezüglich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ist es erforderlich, dass Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit droht. Diese Voraussetzungen liegen nunmehr vor. Denn am 21.06.2012 (Schriftsatz vom 20.06.2012) hat die Vermieterin der Antragsteller Räumungsklage erhoben. Nach Auffassung des Senats ist ein Anordnungsgrund grundsätzlich bei einer Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben. Denn in diesem Fall droht eine Wohnungs- und Obdachlosigkeit (LSG NRW, Beschluss vom 25.05.2012, L 7 AS 742/12 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 25.05.2011, L 12 AS 381/11 B ER nachprüfen).
Die Kosten der Unterkunft und Heizung belaufen sich unter Berücksichtigung des Bescheides vom 02.08.2011 und des Beschlusses des SG Düsseldorf vom 04.07.2011 (S 19 AS 2079/11 ER) auf 665,00 Euro. Dabei entfallen laut Räumungsklage auf die monatliche Bruttokaltmiete 636,00 Euro (Schriftsatz vom 20.06.2012). Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind jedenfalls für die tenorierte Zeit in voller Höhe zu übernehmen. Die Zahlung der Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich...