Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht der Behörde zur Aufforderung des vollmachtlosen Vertreters, binnen einer gesetzten Frist seine Vollmacht vorzulegen
Orientierungssatz
1. Der Mangel einer im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren vorzulegenden Vollmacht kann im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden, wenn der Widerspruch wegen der fehlenden Vollmacht bereits als unzulässig verworfen worden ist.
2. Die Behörde ist aber nicht berechtigt, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, sofern sie den Widerspruchsführer nicht ausdrücklich auf diese Möglichkeit zuvor hingewiesen hat. Nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB 10 ist sie verpflichtet, den vollmachtlosen Vertreter aufzufordern, binnen einer bestimmten Frist die Vollmacht vorzulegen, verbunden mit dem Hinweis, dass anderenfalls das Rechtsmittel als unzulässig verworfen wird.
3. Nur ein solcher Hinweis erfüllt die erforderliche Anhörungs- und Warnfunktion. Fehlt dieser, so ist die Behörde daran gehindert, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 03.06.2013 aufgehoben. Der Klägerin wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H, 00000 N, bewilligt.
Gründe
I.
Die Klägerin bezieht von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 11.07.2012 bewilligte dieser ihr für den Zeitraum 01.08.2012 bis 31.01.2013 Leistungen in Höhe von monatlich 871,93 Euro. Mit Bescheid vom 14.08.2012 wurde dieser Bescheid für den Monat September 2012 teilweise aufgehoben. Die Leistungen wurden auf 742,95 Euro reduziert. Hintergrund der Neuberechnung war eine im August 2012 erfolgte Guthabenauszahlung von 119,90 Euro auf Heiz- und Warmwasserkosten aufgrund einer Heiz- und Betriebskostenabrechnung vom 12.07.2012.
Die Bevollmächtigte Klägerin legte gegen den Änderungsbescheid am 04.09.2012 per Telefax Widerspruch ein und bat zur Begründung um Akteneinsicht. Die angekündigte Vollmacht lag diesem Widerspruch nicht bei. Mit Schreiben vom 18.09.2012 wies der Beklagte auf die fehlende Vollmacht hin. Bevor über den Antrag auf Akteneinsicht entschieden werden könne, müsse diese vorgelegt werden. Zur Übersendung wurde eine Frist bis zum 04.10.2012 gesetzt. Die Bevollmächtigte wurde darauf hingewiesen, dass der Beklagte aufgrund des bekannten Sachverhalts entscheiden werde, wenn eine Antwort bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorliegen würde. Er - der Beklagte - gehe dann davon aus, dass die Klägerin sich nicht mehr zur Sache äußern wolle.
Nachdem eine Vollmacht nicht vorgelegt wurde, verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2012 den Widerspruch als unzulässig. Der Widerspruch sei durch einen vollmachtlosen Vertreter erhoben worden. Handlungen einer hierzu nicht bevollmächtigten Person seien aber prozessrechtlich unwirksam. Da die Klägerin bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist keine Vollmacht zu den Akten gereicht habe, sei der angefochtene Bescheid bestandskräftig geworden.
Die Klägerin hat hiergegen am 19.11.2012 Klage erhoben. Sie beantragt, den Bescheid vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2012 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der eingelegte Widerspruch sei zulässig, weil sie ihrer Bevollmächtigten noch im August 2012 eine Prozessvollmacht erteilt habe, die wegen ihrer, der Klägerin, bekannten Erkrankung zunächst nicht an die Bevollmächtigte habe weitergeleitet werden können. Eine diesbezügliche Vollmacht vom 16.08.2012 und vom 17.08.2012 hat sie zu den Akten gereicht.
Mit Beschluss vom 03.06.2013 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Beklagte habe zu Recht den Nachweis einer Bevollmächtigung gefordert. Die Befugnis dazu ergebe sich § 13 Abs. 1 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 62 SGB X. Der Beklagte sei daher auch dazu berechtigt, den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen. Der Mangel der Vollmacht könne auch nicht mehr durch Vorlage im Gerichtsverfahren geheilt werden. Aus dem Vortrag der Klägerin, sie sei durchgehend arbeitsunfähig gewesen, ergebe sich keine andere Beurteilung, weil unverständlich sei, dass sie dazu in der Lage gewesen sei, eine Vollmacht zu erteilen, sie diese aber nicht habe vorlegen können.
Gegen den am 06.06.2013 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am Montag, den 08.07.2013 Beschwerde eingelegt. Unter Berücksichtigung ihrer Erkrankung sei die angesetzte Frist unangemessen kurz gewesen. Zudem habe auch kein Zweifel an der Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten bestanden, weil diese die Klägerin in sämtlichen Angelegenheiten vertreten habe.
II.
Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Unrecht abgelehnt.
Betei...