Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung einer angemessenen Anpassung im Wege der Auffangregelung zum Honorarverteilungsmaßstab für einen Vertragsarzt durch die Kassenärztliche Vereinigung mittels einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz macht u. a. die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes erforderlich. Dazu müssen dem Antragsteller schwere irreparable und unzumutbare Nachteile drohen. Macht ein Vertragsarzt als Antragsteller im Wege der Auffangregelung zum Honorarverteilungsmaßstab gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung die Gewährung einer angemessenen Anpassung geltend, so muss er glaubhaft machen, verfügbare Effizienzoptimierungsmaßnahmen ausgeschöpft zu haben, unmittelbar von Insolvenz bedroht zu sein oder die Schließung seiner Praxis befürchten zu müssen.
2. Zur Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsanspruchs müssen Umstände der Praxisgefährdung dargelegt werden, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ihn aber individuell betreffen. Auf einen Fallzahlrückgang kann der Antrag nicht gestützt werden. Solange Effizienzreserven der vertragsärztlichen Praxis ersichtlich sind, fehlt es an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2014 abgeändert. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, dem Antragsteller einmalig einen Betrag von 10.000,00 EUR auszukehren.
Der Antragsteller ist Facharzt für Neurochirurgie und in L zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Fallzahlen gestalten sich wie folgt:
Fallzahlen lt. Gesamtübersicht vor Prüfung
I/10 = 654
II/10 = 568
III/10 = 544
IV/10 = 377
I/11 = 325
II/11 = 313
III/11 = 362
IV/11 = 327
I/12 = 376
II/12 = 367
III/12 = 351
IV/12 = 307
I/13 = 389
II/13 = 399
Der Rückgang vom Quartal III/2010 auf das Quartal IV/2010 beruht darauf, dass der Antragsteller seine vormals in O betriebene Zweigpraxis aufgegeben hat. Die Honorare aus vertragsärztlicher Tätigkeit belaufen sich auf ca. 11.000,00 EUR bis ca. 13.000,00 EUR je Quartal. Seit dem Quartal I/2009 gewährte die Antragsgegnerin Verlustausgleiche im Rahmen einer "Konvergenzregelung", die in den Quartalen I/2012 bis II/2013 zwischen 11.967,84 EUR und 9.423,35 EUR lagen. Ab dem Quartal III/2013 entfiel die Konvergenzregelung gemäß § 6c Honorarverteilungsmaßstab (HVM) ersatzlos. Den Antrag auf neuerliche Stützungsmaßnahmen lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 04.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2014 ab. Die Voraussetzungen der Auffangregelung gemäß § 6b HVM lägen nicht vor. Die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen (u.a. Einnahme-/Überschussrechnung) belegten nicht zweifelsfrei, dass eine wirtschaftliche Praxisführung nicht mehr möglich sei. Der Gewinn sei in den Jahren 2010 bis 2012 gestiegen, die Fallzahlen seit dem Quartal IV/2010 hingegen gesunken.
Diese Entscheidung hat der Antragsteller mit am 21.02.2014 vor dem Sozialgericht (SG) zum Aktenzeichen S 2 KA 47/14 erhobener Klage angegriffen. Am 12.03.2014 hat er zudem den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat vorgetragen: Aus den Unterlagen seines Steuerberaters ergäben sich nach Abzug der Konvergenzzahlungen reguläre Überschüsse einschließlich Privateinnahmen von 33.821,00 EUR (2010), 12.817,00 EUR (2011) und 11.747,00 EUR (2012), während für das Jahr 2013 ein bereinigter Verlust von 6.011,10 EUR anfalle. Praxiskosten entstünden jährlich in Höhe von ca. 55.000,00 EUR. Die Buchungsposition "Raumkosten" beziehe sich auf das in seinem Eigentum befindliche Haus. Die Kosten seien anteilig im Verhältnis der für die Praxis genutzten Fläche zur Gesamtfläche umgelegt worden. Die Telefonkosten von 2.877,13 EUR ließen sich nicht reduzieren. Bei zu erwartenden zukünftigen Überschüssen von jährlich ca. 2.587,00 EUR könne seine Praxis nicht mehr betrieben werden. Ein spezifischer Sicherstellungsbedarf liege ungeachtet unterdurchschnittlicher Fallzahlen vor. Zwar sei der gesamte Planungsbereich Nordrhein statistisch überversorgt. Im Rhein-Kreis-O seien nach seinen Erkenntnissen drei weitere Neurochirurgen niedergelassen, die allerdings mit öffentlichen Verkehrsmitteln erst in über 50 min. zu erreichen seien.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seinem Antrag auf Gewährung einer Auffangregelung nach § 6b Honorarverteilungsmaßstab (HVM) stattzugeben und eine angemessene Anpassung zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es fehlten sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund. Der für Neurochirurgen maßgebliche Planungsbereich Nordrhein sei mit 128,8 % (11 Arztsitze) überversorgt. Im direkten Umfeld der Praxis des Antragstellers sei die Versorgung mit Fachärzten für Neurochirurgie außerordentlich gut sic...