Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen der Terminsgebühr durch Annahme eines außerhalb des gerichtlichen Verfahrens abgegebenen Anerkenntnisses

 

Orientierungssatz

1. Nach der Gebührenziffer Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV RVG (juris: RVG-VV) entsteht die Terminsgebühr, wenn das Verfahren vor dem Sozialgericht nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Ein Anerkenntnis ist das ausdrückliche oder schlüssige Zugeständnis, dass der Klageanspruch ganz oder teilweise besteht (Anschluss: BSG, Beschluss vom 21. November 1961, 9 RV 374/60).

2. Dadurch dass der Prozessgegner in einem außerhalb des regulären Verfahrensganges dem Kläger übermittelten Schreiben dessen Position anerkennt, kann er das Entstehen der Terminsgebühr nicht vermeiden. Ein solches Schreiben entfaltet prozessrechtliche Wirkung nicht nur insoweit, als es das Rechtsschutzinteresse des Klägers wegfallen lässt, sondern auch insoweit, als dadurch zugleich ein Anerkenntnis abgegeben wird.

 

Tenor

Auf die Erinnerung der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.06.2013 geändert. Die an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf insgesamt 26.786,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkt über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2012 festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens werden auf 12.846,29 EUR festgesetzt. Die Kosten der Klägerin im Erinnerungsverfahren trägt die Beklagte.

 

Gründe

I.

In dem dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren wandte sich die Klägerin - eine gesetzliche, zwischenzeitlich geschlossene Krankenkasse - gegen einen Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamtes, mit dem dieser zur Prüfung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht die Klägerin zur Beantwortung verschiedener Fragen im Hinblick auf die Einführung von Zusatzbeiträgen aufgefordert hatte. Nach Veröffentlichung der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Hessen vom 15.09.2011 - L 1 KR 89/10 KL - in einem Parallelverfahren hat die Beklagte mit einem während des laufenden Klageverfahrens direkt an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 28.11.2011 gegenüber dieser erklärt, sie stelle das Verfahren ein und leite aus dem Auskunftsbeschluss keinerlei Rechte mehr her. Dieses Schreiben hat sie anschließend mit Schriftsatz vom 02.12.2011 dem Gericht übersandt und darin zugleich erklärt, sie schließe sich der zu erwartenden Erledigungserklärung der Klägerin an. Daraufhin hat die Klägerin mitgeteilt, sie nehme das im Schriftsatz vom 02.12.2011 enthaltene Anerkenntnis der Beklagten an. Hilfsweise für den Fall, dass der erkennende Senat die Voraussetzungen eines Anerkenntnisses durch die Beklagten als nicht erfüllt ansehen sollte, erkläre sie den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Schreiben vom 16.11.2012 beantragte die Klägerin die Rechtsanwaltskosten auf 26.786,90 EUR festzusetzen. Dieser Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

1,3 Verfahrensgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV 11.694,80 EUR

1,2 Terminsgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV 10.8975,20 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR

Umsatzsteuer (MwSt) Nr. 7008 VV (19 %) 4.276,90 EUR

Summe 26.786,90 EUR

Die Beklagte widersprach dem Ansatz der 1,2fachen Terminsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV. Nach dieser Regelung falle eine Terminsgebühr auch ohne mündliche Verhandlung an, sofern im Verfahren vor den Sozialgerichten nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung entschieden werde. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt, denn es fehle an einem Anerkenntnis. Im vorliegenden Fall habe sie den klägerischen Anspruch bewusst nicht anerkannt. Stattdessen habe sie lediglich erklärt, aus der angefochtenen Verfügung keine Rechte mehr herzuleiten. Damit habe sie eindeutig eine materielle Erklärung im Hinblick auf den angefochtenen Verwaltungsakt abgegeben, und keine prozessuale Erklärung im Hinblick auf den Streitgegenstand. Zwischen Prozesshandlung der Partei und sachlich-rechtlichen Erklärungen sei streng zu trennen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Rechtsstreit durch ein mindestens konkludentes Anerkenntnis der Beklagten, das die Klägerin angenommen habe, beendet worden sei. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV auch dann erfüllt, wenn man in der Erklärung der Beklagten kein Anerkenntnis durch schlüssiges Verhalten, sondern lediglich eine Erledigungserklärung sehen würde. Denn auch dann sei die Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 3 VV zumindest analog anwendbar.

Mit Beschluss vom 14.06.2013 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Höhe der zu erstattenden Kosten auf 13.940,61 EUR fest.

Die Kosten setzten sich im Einzelnen wie folgt zusammen:

1,3 Verfahrensgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV 11.694,80 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR

Umsatzsteuer (MwSt) Nr. 7008 VV (19 %) 2.225,81 EUR

Gesamt 13.940,61 EUR

Zur Begründung führte sie aus, die Streitsache sei am 22.02.2012 durch übereinstimmende außerterminliche Erledigungserklärung und nicht durch ein angenommenes Anerkenntni...

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