Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenerstattungspflicht. unstreitige Erledigung eines auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gerichteten Verfahrens. Veranlassungsprinzip. (Mit-)Veranlassung der Klageerhebung durch den beklagten Sozialleistungsträger. fehlerhafte Begründung im Ablehnungsbescheid
Orientierungssatz
1. Eine im Zeitpunkt der Erledigung unzulässige oder unbegründete Klage kann dann zu einer (teilweisen) Kostenerstattungspflicht eines beklagten Sozialleistungsträgers führen, wenn und soweit dieser die Durch- oder Fortführung des Klageverfahrens aus sonstigen Gründen veranlasst hat (vgl LSG Essen vom 28.2.2003 - L 2 B 10/02 KN KR; vom 2.2.2004 - L 2 B 23/03 KN KR und vom 25.4.2007 - L 2 B 3/07 KN KR).
2. Zur Frage der (teilweisen) Erstattung außergerichtlicher Kosten durch den beklagten Sozialleistungsträger bei unstreitiger Erledigung eines auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gerichteten Verfahrens wegen (Mit-)Veranlassung der Klageerhebung aufgrund einer in dessen Ablehnungsbescheid gegebenen falschen Begründung (vgl LSG München vom 7.1.2019 - L 6 R 87/16).
Tenor
Die Beklagte hat der Klägerin 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beklagte hat Klägerin 1/3 der außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Entscheidung zu den Kosten des Verfahrens beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht auf Antrag über die Kosten des Verfahrens, wenn dieses sich - wie hier - anders als durch eine streitige Entscheidung erledigt hat. Bei einer Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG ist gerichtlich nach billigem (sachgemäßen) Ermessen zu beurteilen ist, inwieweit die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (vgl dazu Bundessozialgericht ≪BSG≫ E 6, 92, 93; 8, 178, 181; 14, 25, 26 sowie Schmidt in: Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 193 Rn. 12ff.), wobei der Sach- und Streitstand zur Zeit der Erledigung zu berücksichtigen ist (Schmidt, a.a.O., Rdnrn. 12c und 13 sowie Zeihe: Das Sozialgerichtsgesetz und seine Anwendung, 12. Auflage Stand 1.10.2018, Anmerkung 7a zu § 193). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage der Kostenerstattung ist damit immer das Veranlassungsprinzip (vgl. Schmidt, a.a.O., Rn. 12b, Zeihe. a.a.O.), d. h. es ist darauf abzustellen, welchem Beteiligten die Durch- bzw. Fortführung des Klageverfahrens (ganz oder teilweise) zuzurechnen ist.
Hiernach wird es in der Regel der Billigkeit entsprechen, wenn derjenige Kosten zu erstatten hat, der im Prozess - voraussichtlich - unterlegen wäre (BSG SozR Nr. 4 zu § 193 SGG; Schmidt, a.a.O. Rdnr. 12a). Die allein am mutmaßlichen Prozessausgang orientierte Betrachtungsweise ist jedoch nicht in allen Fällen angemessen, da nach dem Veranlassungsprinzip immer auch zu berücksichtigen ist, ob und ggf. inwieweit der beklagte Sozialleistungsträger - keine - Veranlassung zur Klageerhebung geboten hat (Peters/Sautter/Wolff. Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit. 4. Auflage, Stand November 2018, § 193 III/109 -60, 61-). Unentschieden bleiben kann, ob zur weiteren Begründung dieses der Billigkeit entsprechenden Grundsatzes auf § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzugreifen ist (vgl hierzu Schmidt, a.a.O., Rdnr. 12b einerseits und LSG NRW 1987, 1360 [LS] andererseits). Jedenfalls kann auch eine im Zeitpunkt der Erledigung unzulässige oder unbegründete Klage/Berufung dann zur (teilweisen) Kostenerstattungspflicht eines beklagten Sozialleistungsträges führen, wenn und soweit dieser die Durch- oder Fortführung des Klageverfahrens aus sonstigen Gründen veranlasst hat (Landessozialgericht Nordrhein Westfalen ≪LSG NRW≫ Beschlüsse vom 28.2.2003 Aktenzeichen ≪Az≫ L 2 B 10/02 KN KR, vom 2.2.2004 Az L 2 B 23/03 KN KR, vom 23.4.2007 Az L 2 B 3/07 KN KR, und vom 10.1.2007 Az L 2 B 49/07 KN jeweils mwN).
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu erstatten, weil sie durch die in ihrem ablehnenden Ausgangsbescheid gegebene falsche Begründung die Klageerhebung (mit-)veranlasst hat. Die Beklagte hat ihre Ablehnung darauf gestützt, dass die Klägerin in der von ihr ausgeübten Tätigkeit nicht die vier Kriterien einer rechtsanwaltlichen Tätigkeit (Rechtsberatung, -entscheidung, -gestaltung und -vermittlung) erfülle. Diesen Standpunkt hat sie auch im Berufungsverfahren weiterverfolgt, nachdem das SG ihn für nicht stichhaltig gehalten und der Klage stattgegeben hatte (Urteil vom 29.10.2012). Für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung kam es jedoch nach geltendem Recht zu keinem Zeitpunkt entscheidend auf die vier genannten Kriterien an (Urt des Senats vom 7. Mai 2013, Az L 18 R 170/12, bestätigt durch BSG Urt v 3.4.2014, Az B 5 RE 1314 R = BSGE 115/267ff = SozR 4-2600 § 6 Nr 12, nachf...