Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrufung des Sozialgerichts durch einen Arzneimittelhersteller zur Außerkraftsetzung einer Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung mittels einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Die Anrufung des Sozialgerichts durch einen Arzneimittelhersteller ist u. a. zulässig, wenn geltend gemacht wird, dass er durch eine Norm, auch untergesetzlicher Art, in seinen Grundrechten verletzt wird. Zu Letzterem zählt die Benachteiligung im Wettbewerb, die durch Art. 12 GG geschützt wird. Damit ist der Arzneimittelhersteller im einstweiligen Rechtsschutz auch antragsbefugt.
2. Die Glaubhaftmachung des hierzu erforderlichen Anordnungsgrundes verlangt, dass wirtschaftliche Beeinträchtigungen dargelegt werden, die zu einer Existenzgefährdung geeignet sind. Ein Anordnungsgrund ist auch dann gegeben, wenn erhebliche und über Randbereiche hinausgehende Verletzungen von Grundrechten zu besorgen sind.
3. Hierzu zählen der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung und die Verletzung des Rechts auf gleichberechtigte Teilnahme am Wettbewerb. Sind die hierdurch drohenden Umsatzverluste nur marginal, fehlt es am erforderlichen Anordnungsgrund.
4. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden den Versicherten, von Zuzahlungen abgesehen, grundsätzlich als Sachleistung kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Sprechstundenbedarf, zu dem auch Kontrastmittel gehören, kann durch Vereinbarung der Gesamtvertragspartner einer pauschalierenden Regelung unterworfen werden.
5. Eine entsprechende Vereinbarung verstößt nur dann gegen die Regelung in § 35 SGB 5, wenn sie wie ein Festbetrag wirkt.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.04.2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 860.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine von den Antragsgegnern gemeinsam und einheitlich geschlossene Ergänzungsvereinbarung zur Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB-Vereinbarung), mit der für den patientenbezogenen Verbrauch bestimmter Kontrastmittel Pauschalen festgesetzt werden. Das Hauptsacheverfahren ist zum Az. S 52 KA 4/10 beim Sozialgericht (SG) Dortmund anhängig.
Die Antragstellerin ist die deutsche Konzerntochter eines amerikanischen Medizingeräteherstellers mit Konzernsitz in E (Irland). Sie produziert und vertreibt eine vielfältige Palette medizinischer und pharmazeutischer Produkte. Hierzu rechnen die Kontrastmittel Optiray (Röntgen-Kontrastmittel) und Optimark (MRT-Kontrastmittel) jeweils in verschiedenen Konzentrationen, Handelsformen und Packungsgrößen. Der Gesamtumsatz der Antragstellerin mit ihren diversen Geschäftsbereichen beträgt nach eigenen Angaben ca. 260 Mio. EUR. Davon entfallen ca. 11,5 Mio. EUR auf die Vertrieb der Kontrastmittel, wobei sich der Umsatz im Bezirk der Antragsgegnerin zu 1) auf ca. 1,8 Mio. EUR beläuft.
Am 01.12.2009 schloss die Antragsgegnerin zu 1) mit den Antragsgegnern zu 2) bis 12) eine Ergänzungsvereinbarung zur SSB-Vereinbarung vom 01.07.2008 mit einer Gültigkeitsdauer vom 01.01.2010 bis 31.12.2010. Darin ist geregelt, dass vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 die in der Anlage 2a und 2b aufgeführten Pauschalen für Kontrastmittel für Radiologen gelten.
Die Anlagen 2a und 2b haben, soweit hier von Interesse, folgenden Wortlaut:
"Anlage 2a: Vergütung nicht-ionischer Kontrastmittel für niedergelassene Radiologen
1. Für den patientenbezogenen Verbrauch an nicht-ionischen Kontrastmitteln gilt mit Ausnahme der Ziffer 2 eine Pauschale in Höhe von 0,47 EUR je ml inkl. Überleitsystem und MWSt.
2.Für den im Ausnahmefall erforderlichen Einsatz nicht-ionischer, dimerer Kontrastmittel bei Hochrisikopatienten mit Niereninsuffizienz (Kreatinin über 1,5 mg/DL) gilt abweichend von Ziffer 1 eine Pauschale in Höhe von 1,10 EUR je ml inkl. Überleitsystem und MWSt. Die Notwendigkeit der besonderen Kontrastmittelgabe sowie die Aufklärung des Patienten über mögliche Nebenwirkungen sind in der Patientenakte gesondert zu dokumentieren.
3.Bei der Abrechnung ist die Menge je Patient in Milliliter durch 5 zu teilen und der sich daraus ergebende Wert mit der jeweiligen Symbolnummern (SNR) zu multiplizieren. Die SNR sind wie folgt bewertet:
SNR: 91061 - Typ monomer - Wertigkeit je 5 ml = 2,35 Euro (= 0,47 Euro x 5)
SNR: 91062 - Typ dimer - Wertigkeit je 5 ml = 5,50 Euro (= 1,10 Euro x 5)
[ ...].
Anlage 2b
Vergütung Gadolinium (MRT-Kontrastmittel) für niedergelassene Radiologen
Für den patientenbezogenen Verbrauch an MRT-Kontrastmitteln gilt eine Pauschale in Höhe von 3,75 EUR je ml (Ausnahme Wirkstoff Gadobutrol = 0,5 ml) inkl. Applikationshilfen zur Verabreichung der Mittel und MWSt.
Mittel mit den Wirkstoffen Gadoxetsäure und Gadovosfeset werden aufgrund der seltenen Anwendung nicht vereinbart und können im Einzelfall gesondert abgerechnet werden.
SNR: 91063 - Typ Gadolinium - Wertigkeit = 3,75 EUR x 1 ml
SNR: 91064 - Typ Gadobutrol - Wert...