Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Auferlegung von Missbrauchskosten. isolierte Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung. missbräuchliche Weiterverfolgung des Rechtsstreits. hohes Maß an Uneinsichtigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur isolierten Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung über die Auferlegung von Missbrauchskosten im Rahmen eines Urteils oder Beschlusses.

2. Eine Missbräuchlichkeit nach § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG setzt eine Weiterverfolgung des Rechtsstreits trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit voraus. Dies kann ua dann der Fall sein, wenn der Betroffene ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit zeigt (hier verneint in einem Fall, in dem sich aus dem Vortrag des Antragstellers ergab, dass dieser das einstweilige Rechtsschutzverfahren hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs für erledigt erachtete und nur noch die Frage der Kostentragung geklärt werden solle).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Kostenentscheidung in dem Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 28.12.2020 aufgehoben, soweit dem Antragsteller Verschuldenskosten in Höhe von 300 EUR auferlegt worden sind.

Im Übrigen verbleibt es bei dem Beschluss des Sozialgerichts vom 28.12.2020, die Beschwerde wird insoweit zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander in dem Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die fristgerechte Beschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Es ist in Rechtsprechung und Literatur nicht unumstritten, ob in einem Fall, in welchem ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren durch Beschluss beendet wurde, mit welchem in der Sache entschieden und Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 SGG auferlegt wurden, eine isolierte Beschwerde gegen die Entscheidung nach § 192 Abs. 1 SGG statthaft ist.

Die Auslegung der maßgeblichen Vorschriften ist bereits für den Fall eines Klageverfahrens, auf welches sich die gesetzlichen Regelungen zunächst beziehen, nicht unumstritten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist in Fällen, in welchen die Kosten nach § 192 Abs. 1 SGG im Rahmen des Urteils auferlegt werden, die beanstandete Auferlegung einer Missbrauchsgebühr Bestandteil der Kostenentscheidung, die ihrerseits grundsätzlich isoliert weder mit der Berufung noch mit der Beschwerde anfechtbar ist (BSG, 19.10.2017 - B 3 KR 4/17 B -, Rn. 11 m. w. Nachw.; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt -Hrsg.-, SGG, 2020, § 192 Rn. 20 unter Hinweis auf § 144 Abs. 4 SGG). Umstritten ist allerdings, ob in einem Fall, in welchem in einem Klageverfahren die Entscheidung über die Kosten nach § 192 Abs. 1 SGG durch Beschluss ergeht, die Beschwerde statthaft ist (Nachweis zum Streitstand bei B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt -Hrsg.-, SGG, 2020, § 192 Rn. 21). Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass eine solche Rechtsschutzmöglichkeit gegen einen gesonderten Beschluss nicht durch § 172 SGG ausgeschlossen werde. Der Gesetzgeber habe in § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG für § 193 SGG und in Nr. 4 für § 192 Abs. 4 SGG die Fälle eines Beschwerdeausschlusses detailliert geregelt; § 192 Abs. 1 SGG werde nicht genannt. Für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke bei isolierten Entscheidungen nach § 192 Abs. 1 SGG bestünden vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte (so etwa LSG Baden-Württemberg, 19.1.2016 - L 1 AS 4045/15 B - Rn. 24). Unterschiedlich beurteilt wird allerdings, ob in den Fällen einer isolierten Entscheidung nach § 192 Abs. 1 SGG die Regelung des § 144 Abs. 4 SGG einer Beschwerde entgegensteht. In Rechtsprechung und Literatur ist darüber hinausgehend umstritten, ob und in welchem Umfang die dargelegten Auslegungsergebnis se auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren übertragen werden können, insbesondere, ob § 144 Abs. 4 SGG in entsprechender Anwendung einer Beschwerde entgegensteht (für den Ausschluss einer isolierten Beschwerde bei einer Entscheidung durch das Sozialgericht in der Sache und über § 192 Abs. 1 SGG etwa: LSG Sachsen-Anhalt, 29.9.2014 - L 5 AS 1005/13 B ER -, Rn. 12 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, 5.1.2016 - L 11 AS 1724/15 B ER -, Rn. 6; jeweils unter entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 SGG; für die Zulässigkeit bei einer gemeinsamen Entscheidung in der Sache und über § 192 Abs. 1 SGG etwa: LSG Sachsen, 21.1.2013 - L 7 AS 413/12 B -, Rn. 7 mit der Begründung, § 144 Abs. 4 sei nicht anwendbar; so auch LSG Nordrhein-Westfalen, 24.6.2011 - L 6 AS 959/11 B ER -, Rn. 7).

Der Senat weist zudem ergänzend hin, dass bei einer Entscheidung in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren auch die Möglichkeit in Betracht käme, dass das Sozialgericht zwei Beschlüsse allein äußerlich verbunden hat. Diese Möglichkeit besteht in einem Klageverfahren mit Urteil und Beschluss nicht. Dementsprechend und abweichend vom Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird die Kostenentscheidung nach § 192 Abs. 1 SGG in einem Urteil durch die gesamte Kammer getroffen und verkünde...

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