Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. kein Beschwerdeausschluss bei Rechtswegverweisung. keine Verweisung nach Beendigung des Rechtsstreits. Zuständigkeit für Nebenentscheidungen
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 98 S 2 SGG ist nicht bei einer Rechtswegverweisung nach § 17a Abs 2 GVG anwendbar.
2. Eine Rechtswegverweisung kommt nicht mehr in Betracht, wenn der Rechtsstreit (hier: durch Klagerücknahme) beendet ist.
3. Für etwaige noch zu treffende Nebenentscheidungen bleibt das Gericht zuständig, bei dem die Streitsache anhängig war.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 22. Februar 2022 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.
Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf 4.368,30 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin hat Erfolg.
1. Die am 11. März 2022 gegen den ihr am 1. März 2022 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 22. Februar 2022 schriftlich eingereichte Beschwerde der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG], vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 29. September 1994 - 3 BS 2/93 - juris) und im Übrigen gemäß § 17a Abs. 2, 4 Satz 1, 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. §§ 202, 172 SGG statthaft (BSG, Beschluss vom 5. Mai 2021 - B 6 SF 11/20 R - juris). § 98 Satz 2 SGG steht dem nicht entgegen. Danach sind Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 GVG unanfechtbar. Diese Vorschrift ist indes nicht bei - der vorliegend relevanten - Rechtswegverweisung nach § 17a Abs. 2 GVG anwendbar (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 98 Rn. 3; Keller a.a.O., § 51 Rn. 55; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen [LSG NRW], Beschluss vom 25. Juli 2019 - L 20 SO 60/19 B; LSG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2022 - L 7 AS 1066/21 B - juris).
2. Die Beschwerde ist zudem begründet, denn das SG hätte nach Beendigung des Rechtsstreits eine Verweisung nicht mehr aussprechen dürfen. Es bleibt stattdessen für die noch zu treffenden Nebenentscheidungen zuständig.
Gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG spricht das Gericht bei Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs dies nach Anhörung von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtszuges. Nach Eintritt der Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses wird der Rechtsstreit mit Eingang der Akten bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht anhängig. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit bleiben bestehen, § 17b Abs. 1 GVG. Bei dem verweisenden Gericht ist die Streitsache zuvor durch Erhebung der Klage rechtshängig geworden, § 94 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 11. Februar 2022 - eingegangen am 14. Februar 2022 - die Klage zurückgenommen. Damit endete die Rechtshängigkeit der Streitsache (Schmidt, a.a.O., § 94 Rn. 4). Eingedenk dessen war die mit Beschluss vom 22. Februar 2022 ausgesprochene Verweisung mangels eines noch vorhandenen verweisungsfähigen Rechtsstreits rechtswidrig und damit aufzuheben (s. dazu: Oberverwaltungsgericht [OVG] Lüneburg, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 7 OB 26/10; SG Halle, Beschluss vom 23. November 2012 - S 10 AL 155/12; Oberlandesgericht [OLG] Frankfurt, Beschluss vom 14. Juli 2005 - 14 UH 13/05 - jeweils juris). Der Kläger soll eine Verweisung an ein anderes Gericht gerade dadurch abwenden können, dass er die Klage zurücknimmt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Mai 2010 - a.a.O. - juris, Rn. 6). Nichts anderes folgt daraus, dass das SG damit als unzuständig angerufenes Gericht in der Konsequenz nunmehr noch eine Entscheidung über die Kosten und damit zusammenhängend über den Streitwert des Rechtsstreits zu treffen haben wird (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 18. März 2010 - I ZB 37/09 - juris, Rn. 9; Oberlandesgericht [OLG] Köln, Beschluss vom 11. August 2021 - 24 U 81/20 - juris, Rn. 11f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Mai 2010 - a.a.O. - juris, Rn. 6; SG Halle, Beschluss vom 23. November 2012 - a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Verfahren über eine Rechtswegbeschwerde ist eine Kostenentscheidung grundsätzlich erforderlich (BSG, Beschluss vom 25. März 2021 - B 1 SF 1/20 R; BSG, Beschluss vom 5. Mai 2021 - a.a.O.; LSG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2022 - a.a.O. - jeweils juris).
Die Gerichtskosten sind zugunsten der Beklagten allerdings niederzuschlagen. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Diese Voraussetzung ist bei Verweisung eines nicht mehr anhängigen Rechtsstreits erfüllt. Die Entscheidung trifft das Gericht, § 21 Abs. 2 Satz 1 GKG.
Die Festsetzung des St...