Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für einen arbeitsuchenden Unionsbürger durch einstweiligen Rechtschutz
Orientierungssatz
1. Ein rumänischer Staatsangehöriger hat als Bürger eines EU-Mitgliedstaates genehmigungsfreien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.
2. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG haben Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, ein Aufenthaltsrecht bis zu sechs Monaten und darüber hinaus, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nach Ablauf von sechs Monaten setzt das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche den Nachweis voraus, dass sich der Unionsbürger ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg um Arbeit bemüht hat.
3. Hierzu ist der konkrete Nachweis erforderlich, bei welchen Arbeitstätten sich der EU-Bürger um Arbeit bemüht hat.
4. Ungeklärt ist weiterhin, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 gegen Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht verstößt. Deshalb ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen des SGB 2 regelmäßig zu Gunsten des arbeitsuchenden Unionsbürgers aus.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 20.02.2015 geändert. Die Antragsgegnerin wird einstweilig verpflichtet, den Antragstellern Regelleistungen nach dem SGB II auf der Berechnungsgrundlage monatlicher Ansprüche der Antragsteller zu 1) und 2) von 360,00 EUR sowie der Antragstellerin zu 3) von 302,00 EUR abzüglich anrechenbarer Einkünfte für den Zeitraum vom 09.02.2015 bis 30.03.2015 zu gewähren. Die darüber hinausgehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt 2/3 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Der am 00.00.1971 geborene Antragsteller zu 1) und die am 00.00.1978 geborene Antragstellerin zu 2) sind Eltern der am 00.00.1999 geborenen Antragstellerin zu 3) und allesamt rumänische Staatsbürger. Nach ihren Angaben halten sie sich seit August 2014 in der Bundesrepublik Deutschland auf, mieteten am 15.12.2014 eine Wohnung im örtlichen Bereich der Antragsgegnerin an und meldeten sich dort an.
Am 16.12.2014 beantragten sie die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen. Der Antragsteller zu 1) habe den Beruf des Schlossers und Autolackierers gelernt und wolle schnellstmöglich in Deutschland Arbeit finden. Die Antragstellerin zu 2) habe eine nicht abgeschlossene schulische Ausbildung im Chemiebereich und in den letzten 10 Jahren als ungelernte Schneiderin gearbeitet. Die Antragstellerin zu 3) sei schulpflichtigen Alters. Sie sprächen kein Deutsch.
Mit Bescheid vom 28.01.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Leistungsantrag mit der Begründung ab, die Antragsteller hielten sich alleine zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik auf und seien daher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2015 (W 2015/0932) ist mittlerweile Gegenstand des Klageverfahrens S 32 AS 985/15.
Am 09.02.2015 haben die Antragsteller beim Sozialgericht die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beantragt. Mit Beschluss vom 20.02.2015 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt mit der Begründung, die Antragsteller hielten sich alleine zur Arbeitsuche im Bundesgebiet auf und seien daher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Leistungsausschluss sei zwar umstritten, letztlich jedoch durch das Urteil des EuGH vom 11.11.2014 - C 333/13 E auch in seiner Anwendbarkeit auf tatsächlich Arbeit Suchende bestätigt worden.
Gegen den am 24.02.2015 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom selben Tag, mit der sie ihre Ansprüche auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen weiterverfolgt haben unter Hinweis auf europarechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des Leistungsausschlusses.
Auf Anforderung des Senats haben die Antragsteller Auflistungen von Firmen vorgelegt, bei denen sie sich beworben haben, eine Bescheinigung über den Schulbesuch der Antragstellerin zu 3) und eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 1), wonach sie am 23.08.2014 mit Bargeld im Umfang von ca. 800,00 EUR eingereist waren, von einer Bekannten in Voerde zunächst 800,00 EUR für den Lebensunterhalt und weitere 500,00 EUR dann darlehensweise für die Miete erhalten hätten. Von einem Schwager würden sie durch Zuwendung von Lebensmitteln unterstützt. Im Übrigen seien keine Mittel vorhanden. Der Antragsteller zu 1) gab weiter an, ab dem 23.03.2015 auf Minijob-Basis in einer L...