Entscheidungsstichwort (Thema)

Statthaftigkeit der Anhörungsrüge

 

Orientierungssatz

1. Die Anhörungsrüge nach § 178 a SGG ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Die Frist beginnt mit Kenntnis der Umstände, welche möglicherweise aus Sicht des Klägers eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen können.

2. Die Anhörungsrüge setzt zu ihrer Zulässigkeit eine schlüssige Ausführung darüber voraus, dass der behauptete Verstoß des Gerichts sich auf dessen Entscheidung ausgewirkt haben kann, der Anhörungsfehler für die Entscheidung also rechtlich kausal gewesen sein soll.

3. Die Frage, ob ein Ordnungsgeld bei angeordnetem persönlichem Erscheinen des Klägers verhängt werden kann, wenn die Partei zwar nicht erscheint, der Termin indessen von einem Bevollmächtigten wahrgenommen wird und das Gericht auch entscheidet, ist umstritten. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes bei Ausbleiben des Klägers und bei einer Entscheidungsreife des Rechtsstreits erscheint wegen Verstoßes gegen die Mitwirkungspflicht angemessen.

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, den Ordnungsgeldbeschluss vom 10.12.2008 aufzuheben, wird als unzulässig verworfen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Klägerin trägt Gerichtskosten in Höhe von 50,00 EUR.

 

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren war die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes streitig. Der Senat hat die von die Klägerin anhängig gemachte Berufung aufgrund mündlicher Verhandlung durch rechtskräftiges Urteil vom 10.12.2008 zurückgewiesen. Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 25.09.2008 zu diesem Termin geladen worden. Das persönliche Erscheinen der Klägerin wurde angeordnet. Die Ladung ist der Klägerin mit Zustellurkunde vom 29.09.2008 und die Terminmitteilung ihren Bevollmächtigten gleichermaßen am 29.09.2008 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 10.11.2008 haben die Bevollmächtigten der Klägerin die bereits am 29.07.2008 anhängig gemachte Berufung begründet. Mit einem fünfseitigen Schreiben vom 03.12.2008 hat der Senatsvorsitzende die Bevollmächtigten der Klägerin auf die Rechtslage hingewiesen und angeregt, die Erfolgaussichten der Berufung zu überdenken. Unter dem 08.12.2008 haben die Bevollmächtigten erklärt:

"In pp. haben wir die Hinweise des Vorsitzenden der Berufungsklägerin im Einzelnen erläutert. Diese hält dennoch an ihrem Begehren fest und hat uns angewiesen, im Termin die vorbereiteten Anträge zu stellen."

Mit Fax vom 09.12.2008 hat die Klägerin mitgeteilt:

"Ich bitte darum, mich davon zu entbinden, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.12.2008 teilzunehmen, da ich an diesem Tag in meiner Praxis unabkömmlich bin."

Hierauf hat der Berichterstatter folgendes Schreiben (09.12.2009) per Fax an die Klägerin veranlasst:

"In Ihrem Rechtsstreit wird auf die Nachricht vom heutigen Tage mitgeteilt, dass die Anordnung Ihres persönlichen Erscheinens zu dem morgigen Termin bestehen bleibt. Der Termin ist Ihnen bereits langfristig bekannt (Ladung vom 25.09.2008), so dass Sie zu entsprechender Planung Ihrer Praxistätigkeit einschließlich der Einschaltung eines Vertreters hinreichend Gelegenheit hatten. Entschuldbare Unabkömmlichkeit besteht damit nicht. Selbst für Notfälle, die im Übrigen nicht vorhersehbar sind und damit Ihr Gesuch auch nicht tragen können, ist insoweit auf den o.a. Vertreter, Vertretungspraxen bzw. den ärztlichen Notfalldienst einschließlich Ambulanz zu verweisen. Sie werden vorsorglich nochmals darauf hingewiesen, dass der Senat bei Ihrem Nichterscheinen Ordnungsmaßnahmen (Ordnungsgeld) gegen Sie ergreifen kann."

Im Termin vom 10.12.2009 ist die Klägerin nicht erschienen. Sie hat sich mittels Vollmacht durch Rechtsanwalt L vertreten lassen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Bevollmächtigte auf Befragen erklärt:

"Die Klägerin lässt sich entschuldigen, weil sie in der Praxis unabkömmlich ist. Sie hat Patienten aus bildungsfernen Schichten, denen die Notwendigkeit an einem Gerichtstermin teilzunehmen, schwer zu vermitteln ist."

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage, in der nochmals nachdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben kann und der Bevollmächtigte der Klägerin lediglich erklärt hat, er könne keine prozessbeendenden Erklärungen abgeben, hat der Senatsvorsitzende zu Protokoll diktiert, es sei beabsichtigt, gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld in noch zu bestimmender Höhe zu verhängen. Dem Bevollmächtigten der Klägerin wurde sodann die Möglichkeit gegeben, mit dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Kanzlei Q pp. Rücksprache zu nehmen. Im Anschluss hieran hat der Bevollmächtigte zu Protokoll erklärt:

"Ich darf auch im Hinblick auf die vom Senat hilfsweise angedachte Lösung des § 136 Abs. 4 SGG keine entsprechenden Erklärungen abgeben."

Nach Verkündung des Urteils hat der Senat gegen die Klägerin wegen unentschuldigten Fernbleibens im Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000,00 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, die ord...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?