Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensweise Übernahme von Energieschulden im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Haushaltsstrom. Drohende Wohnungslosigkeit. Zumutbare Möglichkeit der Selbsthilfe. Fehlverhalten des Leistungsberechtigten. Folgenabwägung. Rechtsschutzbedürfnis
Orientierungssatz
1. Der zur darlehensweisen Übernahme von Schulden für die Unterkunft im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, wenn die Wohnung des Hilfebedürftigen wegen aufgelaufener Gas- und Energieschulden nicht mehr mit Gas und Strom versorgt ist. Damit fehlt dem Antragsteller die Möglichkeit, die Wohnung zu heizen, dort zu kochen oder Lichtquellen zu nutzen.
2. Auch Energieschulden können im Rahmen des § 22 Abs. 8 SGB 2 übernommen werden. Die Sperrung der Energieversorgung ist eine Notlage, welche die Bewohnbarkeit der Wohnung beeinträchtigt und die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft i. S. von § 22 Abs. 8 S. 1 SGB 2 indiziert. Ist die Sperrung nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt, so entspricht dies drohender Wohnungslosigkeit.
3. Eine Schuldenübernahme kommt nur in Betracht, wenn diese geeignet ist, die Energieversorgung dauerhaft zu sichern und wenn der Leistungsberechtigte die zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hat.
4. Dies kann bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilt werden. Hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass keine andere Möglichkeit der zukünftigen Sicherstellung der Versorgung mit Strom und Gas außer durch Inanspruchnahme eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB 2 besteht, so ist die darlehensweise Übernahme der Energieschulden im Wege der einstweiligen Anordnung zu bewilligen.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1, 8; SGG § 86b Abs. 2
Tenor
Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts vom 23.04.2013 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller hinsichtlich der Forderung der Beigeladenen aus Gas- und Energieschulden in Höhe von 2237,31 Euro vorläufig ein Darlehen zu gewähren. Die Zahlung von 2237,31 Euro ist unmittelbar an die Beigeladene zu leisten. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt F aus B bewilligt. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die darlehensweise Übernahme von Gas- und Stromschulden des Antragstellers bei der Beigeladenen in Höhe von 2237,31 Euro durch die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist am 00.00.1989 geboren und bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Antragsgegnerin.
Bezüglich der von ihm bewohnten Wohnung bestehen bei der Beigeladenen Gas- und Energieschulden, die die Beigeladene mit Schreiben vom 12.06.2013 auf insgesamt 2237,31 Euro beziffert hat.
Das Amtsgericht N hat mit Urteil vom 12.12.2012 (Az. XXX) den Antrag des Antragstellers gegen die Beigeladene auf Fortführung der Belieferung mit Strom und Gas zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 16.01.2013 hat der Antragsteller sich bei der Beigeladenen um den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung bemüht und dort monatliche Raten von je 25,- Euro zum Ausgleich der offenen Forderung angeboten. Dies hat die Beigeladene mit Schreiben vom 17.01.2013 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 30.01.2013 und 04.02.2013 hat der Gas- und Stromanbieter "E wie einfach" die Anfrage des Antragstellers auf Abschluss eines Versorgungsvertrages abgelehnt.
Am 19.02.2013 sprach der Antragsteller bei der Antragsgegnerin vor und legte die Jahresabrechnungen der Beigeladenen vor. Am 01.03.2013 lehnte die Antragsgegnerin telefonisch gegenüber der Beigeladenen die Übernahme der Rückstände ab und informierte den Antragsteller hierüber.
Am 21.03.2013 hat die Beigeladene die Belieferung des Antragstellers mit Strom und Gas wegen der bestehenden Zahlungsrückstände eingestellt.
Mit Schreiben vom 21.03.2013 beantragte der Antragsteller die Übernahme der Energierückstände in Höhe von (damals) 1355,05 Euro und der Gaskosten in Höhe von (damals) 671,37 Euro bei der Antragsgegnerin und leitete am selben Tag das Verfahren im einstweiligen Rechtschutz bei dem Sozialgericht Dortmund ein, mit dem er die darlehensweise Übernahme der Schulden durch die Antragsgegnerin sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt.
Er hat vorgetragen, er sei nicht in der Lage die Rückstände zu begleichen. Im Zeitraum von 01.10.2012 bis 20.03.2013 seien dem Antragsteller zu geringe Leistungen ausgezahlt worden, so dass er deutlich unterhalb des Existenzminimums gelebt habe und nicht zuletzt aufgrund einer rechtswidrigen Sanktion der Leistungen im Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.05.2013 nicht in der Lage gewesen sei, die Abschläge für Gas und Strom, die bis dahin von der Antragsgegnerin unmittelbar an die Beigeladene überwiesen worden waren, zu zahlen. Ab dem 23.0...