Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGG findet eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Urteil oder einem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts statt. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung, die im Beschwerdeverfahren nach § 172 Abs. 1 SGG ergangen ist, sieht das SGG dagegen nicht vor. Insbesondere enthält § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, der die Unstatthaftigkeit einer Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelt, eine dem § 145 SGG entsprechende Regelung nicht.

2. Der Rechtsbehelf einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist auch nicht im Wege richterlicher Fortbildung statthaft. Es verstößt gegen die Rechtsmittelklarheit, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen.

3. Die Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist zur Entlastung der Landessozialgerichte erfolgt. Der erstrebte Entlastungszweck wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit einer Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne Weiteres aus § 144 Abs. 1 SGG ergibt.

4. Die in § 144 Abs. 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe sind erkennbar auf das Hauptsacheverfahren zugeschnitten und auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht übertragbar.

 

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.06.2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, der im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergangen ist.

Durch Beschluss vom 10.06.2011 hat das Sozialgericht Dortmund den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm an Stelle der gewährten eingeschränkten Leistungen nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab sofort vorläufig bis einschließlich des auf die Entscheidung des Gerichts folgenden Monats Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren, abgelehnt.

Gegen den ihm am 17.06.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24.06.2011 Beschwerde erhoben, die der Senat durch Beschluss vom 28.09.2011 (L 20 AY 98/11 B ER) als unzulässig verworfen hat. In den Gründen hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unstatthaft sei; denn in der Hauptsache wäre die Berufung mangels Erreichens des Beschwerdewerts von mindestens 750,01 Euro unzulässig. Auf die Frage, ob die Berufung in dem Hauptsacheverfahren zuzulassen wäre, etwa weil die Rechtssache im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG grundsätzliche Bedeutung habe, komme es im Rahmen des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht an.

Am 20.09.2011 hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts ferner Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Er trägt vor, diese sei zulässig, insbesondere gemäß § 66 Abs. 2 SGG fristgerecht erhoben worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei auch begründet, weil der in dem Eilverfahren aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers ist nicht statthaft und daher in entsprechender Anwendung des § 158 S. 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Für eine solche Beschwerde fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Dortmund, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt wurde, ist einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugänglich. Nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGG findet eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Urteil oder (i.V.m. § 105 Abs. 1 S. 3 SGG) einem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts statt. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung, die im Beschwerdeverfahren nach § 172 Abs. 1 SGG ergangen ist, sieht das SGG hingegen nicht vor (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 16.01.2009 - L 5 B 1136/08 ER AS und L 5 B1137/08 PKH AS -; Hessisches LSG, Beschluss vom 12.01.2009 - L 7 AS 421/08 ER -). Insbesondere enthält § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, der die (Un-)Statthaftigkeit einer Beschwerde in - wie hier - Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelt, eine dem § 145 SGG entsprechende Regelung nicht (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 11.03.2009 - L 11 AS 60/09 B ER - sowie vom 07.12.2009 - L 11 AS 691/09 B ER - bzw. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.10.2009 - L 5 AS 293/09 B ...

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