Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Anfalls der Terminsgebühr bei Abschluss des Verfahrens durch übereinstimmende Erledigungserklärung bzw. durch verfahrensbeendenden Vergleich
Orientierungssatz
1. Nach Nr. 3106 S. 1 Nr. 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.
2. Ist das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden, so haben die Verfahrensbeteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich i. S. des SGG, d. h. unter Beteiligung des Gerichts, nicht geschlossen.
Tenor
Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 21.7.2017 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts.
Im vorangehenden Klageverfahren stritten die Beteiligten um Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Beschluss vom 27.3.2014 ordnete das Sozialgericht (SG) der Klägerin den Erinnerungsführer im Wege der Prozesskostenhilfe ab dem 24.3.2014 bei.
Mit Schreiben vom 11.12.2014 unterbreitete die Beklagte der Klägerin "das folgende Angebot":
1. Bei dem Kläger wird ab 11.7.2014 volle Erwerbsminderung auf Zeit bis 31.1.2018 gemäß § 43 Abs 2 SGB VI angenommen; dementsprechend werden Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen [ ...] zuerkannt.
2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind, [ ...].
3. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Rechtsstreit damit seine Erledigung gefunden hat.
Der Kläger nahm "das Vergleichsangebot der Beklagten vom 11.12.2014" an. (Schreiben vom 9.1.2015).
Nach Abschluss des Verfahrens hat der Erinnerungsführer beantragt, seine Gebühren und Auslagen mit EUR 1.071,00 festzusetzen (Antrag vom 13.5.2015). Der Betrag setzt sich zusammen aus einer Verfahrens- und einer (Einigungs- bzw.) Aussöhnungsgebühr in Höhe von jeweils EUR 300, einer (fiktiven) "Terminsgebühr" (sprachlich exakt: Termingebühr; im Folgenden verbleibt es bei der gesetzlichen Terminologie) in Höhe von EUR 280 und einer Auslagenpauschale von EUR 20, jeweils zuzüglich 19% Umsatzsteuer. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat als Kostenbeamter die Terminsgebühr nicht berücksichtigt und nach entsprechender Reduzierung der Umsatzsteuer die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren auf EUR 737,80 festgesetzt. Der Rechtsstreit sei nicht durch Vergleich, sondern durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet worden; dieser Erledigungstatbestand führe nicht zur Entstehung einer (fiktiven) Terminsgebühr (Festsetzungsbeschluss vom 27.5.2015). Seine gegen diese Entscheidung am 23.6.2015 eingelegten, als "Beschwerde" bezeichnete Erinnerung, der der Kostenbeamte nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 2.11.2015), hat der Erinnerungsführer über mehr als zwei Jahre nicht begründet.
Das SG hat die Erinnerung zurückgewiesen und die Kostenfestsetzung des Kostenbeamten bestätigt. Nach der Rechtsprechung der Landessozialgerichte sei ein schriftlicher Vergleich, der eine fiktive Terminsgebühr auslöse, nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich. Ein im schriftlichen Verfahren ohne Mitwirkung des Gerichts geschlossener Vergleich reiche nicht aus. In der beigefügten Rechtsmittelbelehrung heißt es, gegen den Beschluss könne binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde eingelegt werden (Beschluss vom 21.7.2015, zugestellt am 28.7.2015).
Dagegen hat der Erinnerungsführer am 14.8.2015 Beschwerde eingelegt. Es sei ein schriftlicher Vergleich geschlossen worden. Damit entstehe die Terminsgebühr. Die Erwartungshaltung des Prozessbevollmächtigten an die Entstehung der Terminsgebühr sei unabhängig davon, ob der Vergleich durch das Gericht initiiert wurde oder durch die Parteien, identisch.
Einen Antrag hat der Erinnerungsführer nicht angekündigt oder gestellt. Nach seinem Vorbringen ist davon auszugehen, dass er weiter die Kostenfestsetzung in ursprünglich beantragter Höhe begehrt.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Die Beschwerde sei nicht fristgerecht innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt worden.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 18.8.2017).
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
I. Die Beschwerde ist zulässig.
Entgegen der Auffassung des Erinnerungsgegners ist die Beschwerde am 14.8.2017 fristgerecht eingegangen. Zwar sieht das Gesetz eine zweiwöchige Beschwerdefrist vor, die hier am 11.8.2017 um 24 Uhr ablief und am 14.8.2017 bereits abgelaufen war, § 33 Abs 3 Satz 3 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG. Indes kommt, da es sich in der Hauptsache um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, wegen der falschen Rechtsmittelbelehrung (Hinweis auf eine Monatsfrist) § 66 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ent...