Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. keine Berücksichtigung einer vorzeitig verbrauchten einmaligen Einnahme als Einkommen. einstweiliger Rechtsschutz. keine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur Zahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung. Vorliegen eines Anordnungsgrundes nur bei drohender Wohnungs- und Obdachlosigkeit

 

Orientierungssatz

1. Einmalige Einnahmen sind bei einem vorzeitigen Verbrauch - zB wegen Schuldentilgung - nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Eine fiktive Anrechnung ist im Hinblick auf die §§ 31 Abs 2, 31a, 34 SGB 2 nicht gerechtfertigt.

2. Ein Anordnungsgrund für eine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur Zahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ist nur dann gegeben, wenn Wohnungs- und Obdachlosigkeit droht.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.03.2012 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Februar 2012 in Höhe von 70,77 Euro und ab dem 01. März 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von 70 % der Regelleistung, längstens bis einen Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, zu gewähren. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind bezüglich der Regelleistung in Höhe von 70 % glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nrn. 1-4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Denn sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Sie ist auch erwerbsfähig gemäß § 7 Abs.1 Nr. 2 SGB II. Die Antragsteller hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II).

Die Antragstellerin hat auch ihre Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie derzeit nicht über ausreichendes Einkommen verfügt, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Unter Berücksichtigung der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung und des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II geht die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebotene Folgenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus.

Der Antragstellerin stehen auch unter Berücksichtigung der Zahlungen, die aufgrund des Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19.07.2010 an den im zivilrechtlichen Verfahren Bevollmächtigten ihres Ehemannes, Herrn Rechtsanwalt G, am 22.11.2011, 19.12.2011 und 05.01.2012 erfolgt sind, keine ausreichende Mittel zur Verfügung, um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Zwar sind diese Zahlungen grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen. Durch ihren vorzeitigen Verbrauch zur Schuldentilgung war die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Antragstellung jedoch hilfebedürftig.

Soweit in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, ein vorzeitiger Verbrauch von einmaligen Einnahmen, z.B. wegen Schuldentilgung, sei unbeachtlich (Bayerisches Landes...

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