Entscheidungsstichwort (Thema)

Kausalitätsbeurteilung beim Bandscheibenschaden in der gesetzlichen Unfallversicherung

 

Orientierungssatz

1. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung beurteilt sich die haftungsausfüllende Kausalität als Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung.

2. Nach der herrschenden unfallmedizinischen Lehrauffassung, die bei der Kausalitätsbeurteilung maßgebend ist, kann ein isolierter Bandscheibenschaden ohne knöcherne oder ligamentäre Begleitverletzungen regelmäßig nicht wesentliche Folge äußerer Gewalteinwirkung sein.

3. Im Berufungsverfahren ist ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG nicht einzuholen, wenn das Antragsrecht durch ein im ersten Rechtszug eingeholtes Gutachten erschöpft ist.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Klägerin einen traumatischen Bandscheibenvorfall erlitten hat und Anspruch auf Verletztenrente besteht.

Die 1955 geborene Klägerin, von Beruf Pharmareferentin, leidet spätestens seit 1999 an bandscheibenbedingten Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS). Im Oktober 2002 wurde ein Bandscheibenvorfall LWK 4/5 linksbetont mit nach caudal umgeschlagenem Anteil diagnostiziert. Während einer stationären Behandlung in der Klinik für Neurochirurgie - Bergmannsheil und Kinderklinik C - in H (Chefarzt Dr. X) wurde am 14.10.2002 eine Teilhemilaminektomie L 4/5 mit Flavektomie, dorsaler Foraminotomie, Sequestrotomie und Teildissektomie vorgenommen.

Am 08.01.2003 erlitt die Klägerin einen Arbeitsunfall, als sie - nach der Unfallanzeige - auf einem vereisten Parkplatz ausrutschte und auf Rücken und Kopf fiel. Der behandelnde Arzt Dr. I diagnostizierte im H-Arztbericht eine Schädelprellung mit Verdacht auf Commotio sowie eine LWS- und Steißbeinprellung. Die Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule (HWS), des Schädels und des Steißbeines ergab keine pathologischen Befunde. Am 04.02.2003 stellte sich die Klägerin auf Veranlassung ihres Arztes bei Chefarzt Dr. X vor, der im Bericht vom 06.02.2003 die Diagnose Rücken/Gesäßaufpralltrauma mit ischialgieformen Schmerzen links sowie einen Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls L 4/L5 links mit Sequestration nach caudal diagnostizierte. Eine erneute Operationsindikation sah er nicht. Dagegen stellte er nach Durchführung einer Computertomographie am 17.02.2003 einen Rezidivbandscheibenvorfall L 4/L5 links fest und bejahte die Notwendigkeit einer Revisionsoperation. Diese wurde während einer stationären Behandlung am 24.02.2003 in Form einer nochmaligen geringgradigen Resektion von medialen Facettengelenksanteilen und Lösung epiduraler Narben sowie einer Sequestrotomie und Teildissektomie im Segment L 4/5 vorgenommen. Zum 22.04.2003 war die Klägerin wieder arbeitsfähig.

Der Beklagten, die eine Kostenübernahme der Operation ablehnte, teilte Dr. X mit, es bestehe der dringende Verdacht, dass der erneute Bandscheibenvorfall durch das Trauma zumindest mitverursacht worden sei, weshalb ein Zusammenhangsgutachten erforderlich sei. Dieses wurde am 23.06.2003 von Prof. Dr. F, Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des St. S-Hospitals in D, erstattet. Er kam darin zu dem Ergebnis, der Unfallhergang (flacher Sturz auf den Rücken) sei nicht geeignet gewesen, eine wesentliche axiale Kompression der Wirbelsäule oder zumindestens eine Abwinkelung nach vorne herbeizuführen, die geeignet gewesen sei, Bandscheibengewebe aus der Bandscheibe herauszupressen. In Anbetracht der Vorschädigung im Bereich der LWS hätte es allerdings keiner sehr großen Krafteinwirkung bedurft, um ein Bandscheibenrezidiv zu verursachen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass auch ohne Vorliegen eines Sturzes es zu einem Rezidivprolaps gekommen wäre. Insoweit sei dem Unfallereignis nur die Bedeutung einer unwesentlichen Teilursache beizumessen. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit formlosem Schreiben vom 02.07.2003 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab und begründete dies damit, dass das Beschwerdebild auf den bereits vorbestehenden Zustand nach Bandscheibenoperation im Oktober 2002 zurückzuführen sei und die Behandlung daher zulasten der Krankenkasse erfolgen müsse.

Dem widersprach die Klägerin am 23.03.2004 und machte geltend, die Beschwerdesymptomatik im Bereich der LWS sei nach der Bandscheibenoperation im Oktober 2002 vollständig zurückgegangen und habe sich erst wieder nach dem hier streitigen Unfall eingestellt. Deshalb sei der Arbeitsunfall als wesentliche Ursache für die erneute Beschwerdesymptomatik im Bereich der LWS anzusehen, weshalb Anspruch auf Entschädigungsleistungen, insbesondere auf Verletztenrente bestehe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2004 unter Hinweis auf die Ausführungen von Prof. Dr. F zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 07.07.2004 vor dem Sozialgericht ...

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