Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung. Genehmigung der Nachbesetzung einer Arztstelle. Medizinischen Versorgungszentrum. einstweiliger Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Durch die Zulassung wird dem Arzt der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung eröffnet. Will ein zugelassenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) einen Arzt anstellen, so bedarf es hierzu einer Genehmigung des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Diese ist nicht dem anzustellenden Arzt, sondern dem MVZ zu erteilen. Das MVZ kann seine Arztstellen nach § 103 Abs 4a SGB 5 nachbesetzen, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind.

2. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die Zulassung eines MVZ in § 95 Abs 1 SGB 5 und diejenigen für eine Nachbesetzung in § 95 Abs 2 SGB 5 erkennbar verschieden geregelt. Danach ist die Nachbesetzung in ein MVZ keine Zulassung bzw Ermächtigung und dieser auch nicht gleichzustellen. Somit greift für die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts im Nachbesetzungsverfahren nicht die Vorschrift des § 57a Abs 1 SGG. Örtlich zuständig ist nach § 57a Abs 2 SGG vielmehr das Sozialgericht, in dessen Bezirk die zur Entscheidung befugte KV ihren Sitz hat (vgl BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 22/09 R = SozR 4-2500 § 101 Nr 8).

3. Zur Verpflichtung der KV, die Anstellung eines Vertragsarztes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Nachbesetzung einer Arztstelle durch einstweilige Anordnung zu genehmigen, ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines -grundes erforderlich.

4. Auch in gesperrten Planungsbereichen ist die Nachbesetzung einer in einem MVZ frei gewordenen Arztstelle möglich. Hierbei muss sich die Anstellung des neuen Angestellten umfangmäßig im Rahmen der bisherigen Besetzung halten. Der Antrag auf Neubesetzung muss grundsätzlich innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem Freiwerden der Stelle dem Zulassungsausschuss in vollständiger Form zugegangen sein und alle materiellen Voraussetzungen erfüllen (vgl BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R = BSGE 109, 182 = SozR 4-2500 § 103 Nr 8).

5. Die starre Einhaltung der 6-Monats-Frist berührt die Rechte des MVZ aus Art 14 Abs 1 S 1 GG. Dem Zulassungsausschuss ist daher die Befugnis einzuräumen, die Frist in besonderen Fällen des Misslingens rechtzeitiger Nachbesetzbarkeit trotz erkennbar ernstlichen Bemühens nochmals um höchstens weitere sechs Monate zu verlängern.

6. Die Verpflichtung der KV zur Genehmigung der beantragten Nachbesetzung im Wege des Eilrechtsschutzes setzt die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes voraus. Einstweiliger Rechtsschutz ist insbesondere dann zu gewähren, wenn der Antragsteller nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann. Ist glaubhaft gemacht, dass bei der Versagung der Nachbesetzungsgenehmigung die Anstellung des vorgesehenen Arztes durch das MVZ scheitern wird und dem MVZ in der Folge diese Arztstelle verloren geht, so droht dem MVZ als Antragsteller ein endgültiger Rechtsverlust. Dieser ist wegen Art 19 Abs 4 GG jedenfalls bis zur abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren zu verhindern.

 

Tenor

Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 7) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.08.2012 werden zurückgewiesen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 7) tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

 

Gründe

Die Antragstellerin ist ein zur vertragsärztlichen Versorgung in L, U-Straße 00, zugelassenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Gesellschafter des MVZ sind die Ärzte Dr. K und Dr. K1. Das MVZ erbringt vertragsärztliche Leistungen auf den Gebieten Diagnostische Radiologie, Strahlentherapie und Neurologie und verfügt über entsprechende Arztstellen. Zum 30.06.2011 ist der im Fachbereich Neurologie des MVZ angestellte Facharzt für Nervenheilkunde Dr. C1 ausgeschieden. Am 19.01.2012 hat die Antragstellerin den Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung des Facharztes für Neurologie Dr. F beim Zulassungsausschuss für Ärzte L gestellt. Dieser hat den Antrag in der Sitzung am 07.03.2012 abgelehnt. Der Arztsitz sei über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten unbesetzt gewesen. Am 16.03.2012 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Nachbesetzung der neurologischen Arztstelle gestellt und vorsorglich erneut die Anstellung von Dr. F beantragt. Der Zulassungsausschuss hat den Antrag abgelehnt (Sitzung vom 04.04.2012, Beschluss vom 05.04.2012). Die Antragstellerin habe verspätet über die Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum 30.06. 2011 informiert und hätte sich bereits früher um eine Fristverlängerung bemühen müssen. Spätestens zum 19.10.2011 sei der Antragstellerin klar gewesen, dass sie gegenüber dem Zulassungsausschuss hätte aktiv werden müssen. Selbst bei Außerachtlassung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) käme eine Nachbesetzung nicht in Betracht, weil das von dem ausgeschiedenen Neurologen versorgte Patientenklientel nicht...

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