Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vormerkung zurückgelegter Versicherungszeiten

 

Orientierungssatz

1. Nur solche Tatbestände, die nach geltendem Recht in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können, sind im Vormerkungsverfahren feststellungsfähig. In der ehemaligen UdSSR und in Moldawien zurückgelegte Beitragszeiten sind nicht vormerkungsfähig. Für sie wurden allenfalls Beiträge zu einem nichtdeutschen Rentenversicherungsträger, nicht jedoch i. S. von § 55 Abs. 1 S. 1 SGB 6 geleistet.

2. Die Einbeziehung Staatenloser in das europäische Koordinierungsrecht kommt nach der EGV 883/2004 zwar grundsätzlich in Betracht. In deren Art. 6 sieht das Koordinierungsrecht nur die Verpflichtung zur Berücksichtigung von im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten vor. Eine rentenwerterhöhende Berücksichtigung dieser Zeiten kommt nach dem Koordinierungsrecht aber nicht in Betracht. Erst recht verleiht Art. 24 Abs. 1 des Staatenlosenübereinkommens von 1954 dem Staatenlosen nicht das Recht auf rentenwerterhöhende Berücksichtigung und damit auf Vormerkung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 22.01.2020; Aktenzeichen B 5 R 8/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.01.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten ist die Vormerkung von Beitragszeiten umstritten; hier die Zeit vom 26.07.1976 bis 29.11.1992; dabei entfällt die Zeit vom 26.07.1976 bis zum 04.07.1990 auf den Militärdienst des Klägers bei der sowjetischen Armee und die Zeit vom 30.07.1990 bis zum 29.11.1992 auf die Beschäftigungszeit des Klägers als Fahrer beim staatlichen pädagogischen Institut in U.

Der am 00.00.0000 in L (damals UdSSR, heute Moldawien) geborene Kläger leistete in der Zeit vom 26.07.1976 bis zum 04.07.1990 Militärdienst bei der sowjetischen Armee, in der Zeit vom 30.07.1990 bis zum 29.11.1992 war er als Fahrer eines Kfz-Transporters beim Staatlichen Pädagogischen U T-Institut U beschäftigt.

Am 21.12.1992 reiste er von U (Moldawien) aus in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde hier als Staatenloser, nicht jedoch als Vertriebener oder Spätaussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. Aus seinem am 24.07.2017 von der Bundesstadt C ausgestellten Reisepass ergibt sich ferner, dass der Kläger heimatloser Ausländer nach dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.04.1951 und zum Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist.

Am 10.09.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten - neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - auch die Klärung seines Rentenkontos.

Mit dem hier streitigen Vormerkungsbescheid vom 30.07.2013 stellte die Beklagte die rentenrechtlichen Zeiten des Klägers bis zum 31.12.2006 verbindlich fest, sie entschied unter anderem, dass die Zeit vom 26.07.1976 bis zum 29.11.1992 nicht als Beitrags- oder Beschäftigungszeit vorgemerkt werden könne, da die Zeit im Ausland zurückgelegt worden sei und die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Fremdrentengesetz (FRG) nicht vorlägen, der Kläger sei z.B. weder als Vertriebener noch als Spätaussiedler anerkannt.

Der Kläger legte hiergegen am 30.08.2013 Widerspruch ein und machte geltend, die Zeit vom 26.07.1976 bis zum 29.11.1992 sei als Beitragszeit vorzumerken, da er anerkannter Staatenloser sei. Nach Artikel 24 des Staatenlosenübereinkommens von 1954 (StIÜbk) erfahre er in Bezug auf die Soziale Sicherheit die gleiche Behandlung wie deutsche Staatsangehörige. Dieses Abkommen habe Deutschland anerkannt.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2015 zurück. Die Fremdrentenzeiten des Klägers könnten in der deutschen Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden, weil er die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle. Insbesondere scheide eine Berücksichtigung der Fremdrentenzeiten nach § 1d FRG als heimatloser Ausländer aus, da der Kläger seinen Wohnsitz im Bundesgebiet nicht bereits am 30.06.1950 hatte, sondern erst seit Dezember 1992.

Mit seiner am 15.09.2015 zum Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, seine in der ehemaligen UdSSR und Moldawien zurückgelegten Beitragszeiten seien nach Art. 24 des StIÜbk in der deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Demgegenüber müsse er die Voraussetzungen des FRG nicht erfüllen. Sein Geburtsland existiere nicht mehr. Er sei als Staatsfeind ausgebürgert worden. Wer solle jetzt noch seine Rente für 14 Jahre Offiziersmilitärdienstzeit leisten, wenn nicht der Staat, in dem er sich rechtmäßig aufhalte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2015 zu verpflichten, die Zeit vom 26.07.1976 - 29.11.1992 als Beitragsze...

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