Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Erstattungsbescheid nach § 50 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
§ 39 Nr 1 SGB 2 schließt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Festsetzung des Erstattungsbetrages einer in der Vergangenheit zu Unrecht erbrachten Leistung nach dem SGB 2 nicht aus.
Orientierungssatz
Soweit der Senat eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, wird diese aufgegeben (Aufgabe LSG Essen vom 12.5.2005 - L 9 B 12/05 AS ER).
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 30.5.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin N beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller, gelernter Gleisbauhelfer, bezog seit 1.1.2005 von der Antragsgegnerin Arbeitslosengeld II. Zur weiteren Qualifizierung sollte er an einer Bildungsmaßnahme zum Triebfahrzeugführer vom 15.6.2006 bis 15.3.2007 bei der E AG teilnehmen, für die das Bestehen eines Eignungstests erforderlich war.
Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller daher mit Bescheid vom 14.6.2006 für die Dauer der Maßnahme Lehrgangskosten und Fahrkosten - letztere in Höhe von EUR 476,- monatlich. Sie zahlte dem Antragsteller die Fahrkosten vom 15.6.2006 bis 15.1.2007. Auf Grund eines Anrufs des Bildungsträgers erfuhr die Antragsgegnerin am 11.12.2006, dass der Antragsteller den Eignungstest nicht bestanden und daher die Bildungsmaßnahme nicht angetreten habe. Im Rahmen einer Anhörung gab dieser an, er habe der Antragsgegnerin am 16.6.2006 diesen Sachverhalt persönlich mitgeteilt.
Die Antragsgegnerin hob daraufhin mit Bescheid vom 10.1.2007 die Bewilligung von Fahrkosten mit Wirkung ab 1.6.2007 ganz auf und forderte für die Dauer der Leistungszahlung (1.6.2006 bis 31.1.2007) einen Betrag von zunächst EUR 3.808,- zurück, den sie mit Änderungsbescheid vom 27.2.2007 auf EUR 3.332,- herabsetzte. Der Antragsteller erhob gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.1.2007 Widerspruch, den er weiterhin damit begründete, dass er am 16.6.2006 persönlich bei der Antragsgegnerin erschienen sei und ihr mitgeteilt habe, dass er bei dem Eignungstest durchgefallen sei. Er habe die Überzahlung daher nicht verursacht. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Bescheid vom 3.5.2007 zurück. Der Antragsteller erhob hiergegen am 21.5.2007 Klage (S 15 AS 86/07 SG Köln). Außerdem forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit (geänderter neuer) Zahlungsaufforderung vom 7.5.2007 auf, den Betrag von EUR 3.332,- zu zahlen. Er hat daraufhin ferner am 21.5.2007 die Aussetzung der Vollziehung/Vollstreckung aus dem Bescheid vom 10.1.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.2.2007, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.5.2007 beantragt, weil ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide beständen und die Antragsgegnerin nicht auf die Nachfrage nach Aussetzung der Forderungsbeitreibung reagiert habe.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, das Vorbringen und der Widerspruch des Antragstellers hätten nach § 39 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) keine aufschiebende Wirkung und entbänden nicht von der sofortigen Zahlungspflicht. Sie erkenne eine aufschiebende Wirkung nicht an. Insoweit beziehe sie sich auf den Beschluss des LSG NRW vom 18.12.2006 - L 20 B 270/06 AS ER -, nach dem die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II neben Aufhebungsbescheiden auch Erstattungsbescheide erfasse und Widerspruch wie Klage somit keine aufschiebende Wirkung hätten. Nach einem Hinweis des Sozialgerichts hat der Antragsteller den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckung nur auf die nach § 50 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) geltend gemachte Erstattung (Rückforderungsanspruch) bezogen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 30.5.2007 die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren S 15 AS 86/07 hinsichtlich des Erstattungsbescheides festgestellt. Es hat ausgeführt, die Anfechtungsklage gegen die Erstattungsbescheide habe nach § 86 a Absatz 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung, da kein Ausnahmetatbestand des § 86 a Absatz 2 Nrn 1 bis 3, 5 SGG vorliege und die aufschiebende Wirkung nicht durch ein in einem Bundesgesetz vorgesehenen Fall entfalle (§ 86 a Absatz 2 Nr. 4 SGG). Denn die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen einen Erstattungsbescheid nach § 50 Absatz 1 SGB X entfalle auch nicht nach § 39 Nr. 1 SGB II, weil es sich bei diesem nicht um einen Bescheid und eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende handele. Das Gericht schließe sich im Rahmen der näher bezeichneten divergierenden Rechtsprechung mehrerer Landessozialgerichte entgegen der Auffassung des 20. Senats LSG NRW der dargelegten Meinung an, dass der Leistun...