Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anrechnungsverbot der Beratungshilfegebühr auf die zugunsten des Rechtsanwalts angefallenen Gebühren
Orientierungssatz
1. Auf die im sozialgerichtlichen Verfahren angefallenen Rechtsanwaltsgebühren sind die zugunsten des Rechtsanwalts zuvor angefallenen Gebühren der Beratungshilfe nicht anzurechnen.
2. Die Vorschrift der Nr 2503 Abs 2 S 1 VV RVG (juris: RVG-VV) ist nicht auf Verfahren anzuwenden, in denen sich an die Beratungshilfe ein gerichtskostenfreies sozialgerichtliches Verfahren anschließt.
3. Die Gebührenvorschrift der Nr 3103 VV RVG ist als eine die Anrechnung einer Vorbefassung abschließend regelnde Sondervorschrift anzusehen. Für die Bemessung der Gebührenhöhe innerhalb des Gebührenrahmens nach Nr 3103 VV RVG wird ausdrücklich festgelegt, dass eine Anrechnung der Arbeitsersparnis wegen Vorbefassung lediglich einmal erfolgen darf. Die Heranziehung des Anwalts zur Gewährung von Beratungshilfe stellt einen Eingriff in die freie Berufsausübung dar. Dann hat der Staat hierfür eine angemessene Entschädigung zu leisten.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 17.12.2009 geändert. Die dem Beschwerdeführer im Rahmen der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung wird auf 753,27 Euro insgesamt festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der von der Staatskasse im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu erstattenden Vergütung des beschwerdeführenden Rechtsanwalts, hier die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Rahmen der Beratungshilfe auf die Gebühren für das gerichtliche Verfahren.
Am 02.05.2006 erhob die Klägerin beim SG Detmold zwei Klagen gegen verschiedene Bescheide der Beklagten wegen ihrer Auffassung nach fehlerhafter Berechnungen der Kosten der Unterkunft. Die Verfahren wurden unter den Aktenzeichen S 4 AS 62/06 und S 4 AS 63/06 geführt und dem Beschwerdeführer jeweilig Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt. Mit Beschluss vom 04.10.2007 erfolgte eine Verbindung zum Aktenzeichen S 4 AS 62/06.
Nach Erledigung der Streitsache in einem Erörterungstermin im November 2008 hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.11.2008, geändert durch Schreiben vom 28.11.2008 beantragt, seine Vergütung aus der Staatskasse auf 753,27 Euro festzusetzen:
Verfahren S 4 AS 63/06
Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG 170,00 Euro
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Verfahren S 4 AS 62/06
Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG 170,00 Euro
Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Fahrtkosten gem. Nr. 7003 VV RVG 33,00 Euro
Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 7005 VV RVG 20,00 Euro
19 % Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG 120,27 Euro
= 753,27 Euro.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die zu zahlende Vergütung am 04.12.2008 auf 711,62 Euro festgesetzt. Dabei hat sie die Gebühr für Beratungshilfe, die der Beschwerdeführer wegen voriger Beratung der Klägerin auf Anweisung des Amtsgerichts Paderborn erhalten hatte, gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG zur Hälfte (35,00 Euro) auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG angerechnet und die Mehrwertsteuer entsprechend reduziert. Die vom Beschwerdeführer gegen die Kürzung am 16.12.2008 eingelegte Erinnerung hat das SG Detmold mit Beschluss vom 09.12.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29.10.2009, L 1 B 6/09 AS verwiesen. Die Beschwerde an das Landessozialgericht hat das SG zugelassen.
Gegen den am 17.12.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 31.12.2009 Beschwerde eingelegt. Grundsätzlich sei es nachvollziehbar, dass eine übermäßige Vergütung für das gerichtliche Verfahren bei vorangegangener Beratungshilfe vermieden werden solle. Allerdings reduziere sich bei einer vorangegangenen Tätigkeit im Verwaltungsverfahren der Betragsrahmen der Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren von 250,00 Euro netto auf 170,00 Euro netto. Eine Doppelanrechnung aber sei im Gesetz nicht vorgesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen; dieser ist Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Bevollmächtigten der Klägerin beträgt insgesamt 753,27 Euro. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft, §§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG, vgl. hierzu auch LSG NRW, Beschluss vom 25.01.2010, L 1 B 19/09 AS m.w.N. zum Vorrang dieser Spezialvorschriften gegenüber den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheid...