Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung der Regelleistung auf 90 % und Halbierung der Leistungen für Unterkunft und Heizung wegen Zuzugs der ausländischen, von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossenen Ehefrau dürfte rechtswidrig sein
Orientierungssatz
1. Wird Prozesskostenhilfe begehrt für eine Klage beim Sozialgericht gegen die Absenkung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Arbeitsuchende gem. § 20 Abs. 3 SGB 2 (Fassung vor 2011) auf 90% und die Halbierung der Kosten der Unterkunft wegen Bildung einer Bedarfsgemeinschaft mit der zugezogenen Ehefrau, die als ausländische (marokkanische) Staatsangehörige nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB 2 für drei Monate von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen ist, so hat der Antrag hinreichende Erfolgsaussicht, weil die Rechtmäßigkeit beider Kürzungen von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt.
2. Die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB 2 sind zwar im Regelfall anteilig pro Kopf aufzuteilen (Kopfteilprinzip), das BSG hat aber erwogen, ein Abweichen von diesem Grundsatz könne in Sonderfällen gerechtfertigt sein (Urteil vom 27.01.2009, B 14/7b AS 8/07 R); eine Halbierung der Leistungen für Unterkunft und Heizung für drei Monate wegen Zuzugs der selbst nicht leistungsberechtigten Ehefrau könnte gegen den sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden besonderen Schutz der Ehe eines deutschen Staatsangehörigen verstoßen und deswegen als Sonderfall die Abweichung vom Kopfteilprinzip rechtfertigen (Hinweis auf BVerfG, Beschl. vom 18.07.1979, 1 BvR 650/77 = BVerfGE 51, 386).
3. Die gleichen Erwägungen gelten für die Absenkung der Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB 2. Diese Auffassung wird überwiegend von den Landessozialgerichten vertreten, ist aber noch nicht vom BSG entschieden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.01.2011 geändert. Dem Kläger wird ab dem 20.03.2011 Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren gewährt und Rechtsanwalt N, C, beigeordnet.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25.01.2011 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Der am 00.00.1983 geborene Kläger besitzt die deutsche und marokkanische Staatsangehörigkeit. Am 02.08.2009 heiratete er in Marokko die am 00.00.06.1986 geborene Klägerin, welche die marokkanische Staatsangehörigkeit besitzt. Am 11.09.2010 reiste die Klägerin in die Bundesrepublik ein. Die Stadt I erteilte ihr am 27.09.2010 eine bis zum 26.12.2010 befristete Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), wonach eine Erwerbstätigkeit jeder Art gestattet ist. Am 27.09.2010 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach §§ 27, 28 AufenthG. Am 06.12.2010 erteilte die Stadt I der Klägerin eine Aufenthaltsgenehmigung nach §§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG wegen Familiennachzugs zum Ehegatten.
Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend: der Beklagte) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 22.06.2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 695,33 EUR für die Zeit vom 01.06.2010 bis 30.11.2010.
Am 13.09.2010 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für sich und die Klägerin. Durch Änderungsbescheid vom 20.09.2010, adressiert an den Kläger, bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 491,16 EUR (Regelleistung 323,00 EUR + Kosten der Unterkunft 168,10 EUR) für die Zeit vom 01.10 bis 31.11.2010. Er führte aus, dass die Klägerin die ersten drei Monate keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe, da sie keine Unionsbürgerin sei. Die Klägerin werde ab dem 01.10.2010 in die Haushaltsgemeinschaft aufgenommen. Deshalb stehe dem Kläger nur noch die abgesenkte Regelleistung von 323,00 EUR und die anteiligen Kosten der Unterkunft zu.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch, der sich insbesondere gegen den Leistungsausschluss der Klägerin nach § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II richtete, wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 04.10.2010 als unbegründet zurück.
Durch Bescheid vom 29.11.2010 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus den beiden Klägern, Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 600,17 EUR für die Zeit vom 13.12. bis 31.12.2010 sowie in Höhe von 977,16 EUR mtl. für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.2011.
Die Stadt I lehnte die Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) an die Klägerin durch Bescheid vom 08.11.2010 ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Am 08.11.2010 hat der Kläger, vertreten durch den Bevollmächtigten, Klage mit dem Begehren erhoben, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2010 zu verurteilen, seinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nach Aufnahme der Klägerin in die Bedarfsgemeinschaft unter Beachtung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Er hat die Gewährung von P...