Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Voraussetzungen für den Erlass eines Summenbescheides nach erfolgter Betriebsprüfung. Unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand. Ermessen. Honorararzt. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Interessenabwägung
Orientierungssatz
Lässt sich im Nachgang einer durch den Rentenversicherungsträger erfolgten Betriebsprüfung eine Übersicht der Beschäftigten erstellen, die jeweils Name, Zahlbetrag der Vergütung und Zahlungsdatum ausweist, ist der Erlass eines Summenbescheides zur Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht zulässig. Das gilt auch dann, wenn die Nacherhebung eine größere Zahl Beschäftigter erfasst oder nur einzelne Teile der Sozialversicherung (hier: Arbeitslosenversicherung) betroffen sind.
Normenkette
SGB IV § 28f Abs. 2, § 28p Abs. 1 S. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4; SGB X § 35 Abs. 1 S. 3, § 41 Abs. 1 Nr. 2; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 22.3.2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 54.453,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.11.2012, mit dem eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beschäftigung von Honorarärzten für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis 31.12.2011 in Höhe von 217.811,98 EUR geltend gemacht wird.
Die Antragstellerin ist eine Tochtergesellschaft der L Kliniken im Kreis L und erbringt Dienstleistungen für diese Kliniken. Bei den Kliniken handelt es sich um das B-Hospital in H, das St. B-Hospital in L, das N-Hospital in L1 und das St. O-Hospital in L2 (nachfolgend: Katholische Kliniken). Die Antragstellerin wurde von den L Kliniken beauftragt, zur Abdeckung von ärztlichen Diensten im Rahmen des Rettungsdienstes des Kreises L und von klinikbezogenen Diensten Verträge mit Ärzten abzuschließen, die bereit sind, ärztliche Tätigkeiten im Rettungsdienst bzw. im Rahmen von Stationsdiensten, Bereitschaftsdiensten und Rufdiensten der einzelnen Kliniken zu übernehmen. Auf der Basis dieser vertraglichen Vereinbarungen wurden im Jahr 2010 insgesamt 230 Ärzte im Rettungsdienst und in den Diensten der einzelnen Kliniken tätig und im Jahr 2011 insgesamt 278 Ärzte. Im Rettungsdienst waren im Jahr 2010 126 Ärzte und im Jahr 2011 121 Ärzte eingesetzt.
In den mit den Ärzten im Rettungsdienst geschlossenen schriftlichen "Rahmenverträgen über freie Mitarbeit" war ein Honorar von 25,- EUR einschließlich gesetzlicher Mehrwertsteuer pro geleisteter Stunde und (ab dem 1.4.2010) eine Pauschale von 25,- EUR je geleisteten Einsatz im Rettungsdienst vereinbart. Insoweit sei monatlich eine Rechnung durch den Mitarbeiter zu erteilen, wobei die geleisteten Einsätze durch Einsatzprotokolle nachzuweisen seien. Die Ärzte machten die Vergütungsansprüche gegenüber der Antragstellerin in monatlichen Rechnungen geltend, in denen die jeweiligen Stunden unter Angabe der Einsatzzeiträume und der Einsatzorte sowie die jeweiligen Einsätze unter Vorlage der Einsatzprotokolle getrennt in Rechnung gestellt wurden.
Die "Rahmenverträge über freie Mitarbeit" mit den Ärzten im Klinikdienst sahen hinsichtlich der Vergütung ausschließlich ein Honorar je geleisteter Stunde vor, wobei die Höhe der Stundensätze unterschiedlich ist. Aus den vorgelegten Rechnungen von insgesamt zehn Ärzten ergeben sich Stundensätze zwischen 48,- EUR (Klinik für Chirurgie im N-hospital L1) und 64,- EUR (Klinik für Innere Medizin im N-hospital L1). Nach der vertraglichen Vereinbarung erfolgt die Rechnungslegung für den Bereitschaftsdienst ebenfalls monatlich, wobei die geleisteten Stunden durch eine schriftliche Bestätigung des ärztlichen Leiters nachzuweisen sind. Ansonsten gelten die gleichen Regelungen wie für den ärztlichen Einsatz im Rettungsdienst. Die Vergütungsansprüche wurden gegenüber der Antragstellerin in monatlichen Rechnungslegungen geltend gemacht, wobei der zeitliche Umfang des jeweils geleisteten Dienstes, die Klinik und der Fachbereich der Klinik angegeben und die Angaben durch die Unterschrift des Chefarztes bzw. dessen Beauftragten bestätigt wurden.
Die Antragsgegnerin führte vom 19.9.2012 bis zum 21.9.2012 bei der Antragstellerin, bezogen auf den Zeitraum vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2011, eine Betriebsprüfung und am 21.9.2012 eine Schlussbesprechung durch. Nach Anhörung der Antragstellerin machte sie dieser gegenüber eine Beitragsforderung in Höhe von insgesamt 217.811,98 EUR geltend (Bescheid vom 15.11.2012). Die Ärzte seien abhängig beschäftigt gewesen und unterlägen der Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge seien nach § 28f Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) anhand der Summe der gez...