Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Zulassung eines Psychologischen Psychotherapeuten im Rahmen des lokalen Sonderbedarfs

 

Orientierungssatz

1. Nach §§ 101 Abs. 1, 103 Abs. 1 und 3 SGB 5 i. v. m. §§ 36, 37 der Bedarfsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (BedarfsplRL) darf der Zulassungsausschuss unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss dem Zulassungsantrag eines Arztes bzw. Psychologischen Psychotherapeuten entsprechen, um die vertragsärztliche bzw. psychotherapeutische Versorgung in einem Versorgungsbereich zu gewährleisten und dabei einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf zu decken.

2. Dabei ist hinsichtlich der der allgemeinen fachärztlichen Versorgung zuzuordnenden psychotherapeutischen Versorgung (§ 12 Abs. 1 Nr. 7 BedarfsplRL) die Festlegung einer zumutbaren Entfernung von bis zu 25 km des Versicherten zum Psychotherapeuten nicht zu beanstanden (BSG Urteil vom 23. 6. 2010, B 6 KA 22/09 R).

3. Hierbei sind nur reale Versorgungsangebote relevant. Auf lediglich potenzielle Versorgungsangebote kann nicht verwiesen werden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 5) wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26. Juni 2020 geändert. Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 27. November 2019 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens im erstinstanzlichen Rechtszug mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1) bis 4) sowie der Beigeladenen zu 6) und 7). Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 5) im Beschwerdeverfahren tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 57.300,52 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners vom 27. November 2019, mit dem dieser sie im Rahmen des lokalen Sonderbedarfs als Psychologische Psychotherapeutin in Siegen zugelassen hat.

Die im Jahr 1970 geborene Antragstellerin ist Diplom-Psychologin und verfügt über eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin. Sie beantragte im August 2015 eine Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Sonderbedarf im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages in der Region Siegburg, Rhein-Sieg-Kreis. Sie habe ihre Praxis von Köln nach Siegburg verlegt. Sie arbeite durchschnittlich 300 Stunden im Quartal, die teilweise im Kostenerstattungsverfahren über die Krankenkassen und teilweise privat abgerechnet würden. Die Versicherten kämen aus Siegburg, aber auch aus den umliegenden Gemeinden wie Neunkirchen-Seelscheid, Troisdorf, Hennef und Lohmar. Sie erhalte wöchentlich Anfragen nach freien Therapieplätzen. Ihre Patienten berichteten von ihrer verzweifelten Suche nach einem Therapieplatz in Siegburg. Dass es in dieser Kommune keine freien Therapieplätze mit einer zumutbaren Wartezeit gebe, zeigten auch die Bescheide von Versicherten, die eine Zusage auf Übernahme der Therapie im Kostenerstattungsverfahren erhalten hätten. Auf die Erklärungen der Antragstellerin im Verwaltungsverfahren wird Bezug genommen.

Die örtlich zuständige Kreisstelle der Beigeladenen zu 5) befürwortete die Sonderbedarfszulassung nicht (Stellungnahme vom 8. Oktober 2015). Die behaupteten zwölfmonatigen Wartezeiten auf eine Verhaltenstherapie im zentralen Rhein-Sieg-Kreis seien erheblich zu hoch angesetzt. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. Dezember 2015 präzisierte sie ihre Einwände dahingehend, sie habe "kleinräumiger als in der aktuellen Bedarfsplanung vorgesehen, die in einem angenommenen engeren Erreichbarkeitsraum (zentraler rechtsrheinischer Rhein-Sieg-Kreis) tätigen psychologischen Psychotherapeuten zu ihren Wartezeiten" befragt. Soweit diese Leistungserbringer die Anfragen beantwortet hätten, ergebe sich aus diesen, dass es im Wesentlichen Wartezeiten zwischen drei und sechs Monaten gebe, im Einzelfall auch höher. Dies entspreche den Erfahrungen des Kreisstellenvorsitzenden im Rahmen der Überweisung eigener Patienten und Patientinnen. Damit entsprächen die Wartezeiten den üblichen Bedingungen innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Beigeladenen zu 5).

Mit Beschluss vom 14. März 2016 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (ZA) - Kammer Psychotherapie - die beantragte Sonderbedarfszulassung ab. Ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung sei im Planungsbereich Rhein-Sieg-Kreis gewährleistet, weshalb Versorgungsdefizite nicht festzustellen seien. Der maßgebende Planungsbereich sei mit einem Versorgungsgrad von 163,9 % gesperrt. Eine sonderbedarfsbegründende Spezialqualifikation sei nicht gegeben. Eine weitere Zulassung im Rahmen des Sonderbedarfs sei nicht unerlässlich, zumal eine Wartezeit von drei bis sechs Monaten den übl...

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