Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berücksichtigung von Säumniszuschlägen bei der Streitwertberechnung
Orientierungssatz
1. Säumniszuschläge, die bei der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen erhoben werden, gehören nicht zu den in § 43 Abs 1 GKG genannten Nebenforderungen.
2. Der Vorschrift des § 43 Abs 1 GKG lässt sich kein gesetzlicher Regelungsplan entnehmen, dem die Nichteinbeziehung von Säumniszuschlägen in der Streitwertberechnung zuwiderliefe. Bei der Streitwertbemessung sind deshalb die erhobenen Säumniszuschläge in die Berechnung einzubeziehen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 31.03.2009 zu Ziff. 2) geändert. Der Streitwert wird endgültig auf 11.643,77 EUR festgesetzt. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten haben darüber gestritten, ob die Beklagte von der Klägerin die Zahlung von 11.643,77 EUR (Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 7.817,02 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 3.826,75 EUR) verlangen kann (Bescheid v. 29.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 06.09.2006).
Mit Beschluss v. 31.03.2009 hat das Sozialgericht (SG) Köln den Streitwert endgültig auf 7.817,02 EUR festgesetzt.
Mit der Beschwerde begehren die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Festsetzung des Streitwertes auf 11.643,77 EUR, also unter Berücksichtigung der Säumniszuschläge. Sie berufen sich auf die Vorschrift des § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG), wonach bei Klagen gegen Leistungsbescheide die Höhe der Geldforderung maßgebend sei. Die Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 1 GKG sei nicht einschlägig. Säumniszuschläge gehörten nicht zu den dort aufgeführten Nebenkosten. § 43 Abs. 1 GKG sei auch nicht entsprechend auf sie anzuwenden.
Die Beklagte meint, dass das SG den Streitwert richtig berechnet habe. Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde gegen den Beschluss des SG mit drei Berufsrichtern. Die Ausnahmevorschrift des § 68 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG, wonach der Berichterstatter allein entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen worden ist, ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden, weil der Kammervorsitzende des SG kein "Einzelrichter" in diesem Sinne ist (wie hier: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 30.04.2008, L 16 B 5/07 R; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 14.05.2009, L 24 KR 33/09 B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 27.04.2009, L 5 B 451/08 KA; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 01.04.2009, L 10 B 42/08 P; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.12.2008, L 10 R 5747/08 W-B; Sächsisches LSG, Beschluss v. 09.06.2008, L 1 B 351/07 KR).
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das SG hat die von der Beklagten geforderten Säumniszuschläge bei der Streitwertbemessung zu Unrecht außer Betracht gelassen. Der Streitwert für das Klageverfahren ist vielmehr unter Einbeziehung der Säumniszuschläge auf den Gesamtbetrag der streitigen Forderung von 11.643,77 EUR festzusetzen.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert aufgrund richterlichen Ermessens nach der Bedeutung zu bestimmen, die die Sache für den Kläger seinem Antrag nach hat, soweit nichts anderes geregelt ist. Eine in diesem Sinne abweichende Vorschrift enthält § 52 Abs. 3 GKG. Betrifft der Antrag des Klägers einen Verwaltungsakt, der auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet ist, so ist deren Höhe maßgebend. Als Ausnahme von § 52 Abs. 3 GKG regelt § 43 Abs. 1 GKG, dass der Wert von Früchten, Nutzungen, Zinsen oder Kosten nicht berücksichtigt wird, wenn sie außer dem Hauptanspruch als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
Säumniszuschläge gemäß § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gehören nicht zu den in § 43 Abs. 1 GKG genannten Nebenforderungen. Die Vorschrift kann auch nicht entsprechend auf sie angewandt werden (im Ergebnis wie hier: BSG, Urteil v. 21.01.2009, B 12 AL 2/07 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG, Urteil v. 27.05.2008, B 2 U 19/07 R, SozR 4-2700 § 150 Nr. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.10.2008, L 9 AL 28/08; BayLSG, Beschluss v. 14,04.2009, L 5 B 573/08 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.03.2009, L4 KR 1833/07; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 26.01.2009, L 10 R 5795/08 W-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.09.2007, L 9 B 374/07 KR ER, jeweils juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil v. 28.11.2007, L 5 KR 33/07, EzAÜG SGB IV Nr 40; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 17.10.2006, L 11 (8) R 57/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 09.03.2009, L 16 (11) B 4/07 R ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.09.2006, L 5 B 1/06 R ER; Sächsisches LSG, Beschluss v. 05.03.2009, L 1 B 605/07 KR; Thüringer LSG, Urteil v. 29.01.2007, L 6 RJ 1024/03; LSG Rheinl...