Entscheidungsstichwort (Thema)
Kleiderverschleißpauschale. Führzulage. Anrechenbarkeit auf die Versorgungsbezüge bei Heimunterbringung. Nachholung der Anhörung
Orientierungssatz
1. Die Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG ist auf die Kosten der Heimunterbringung nach § 35 Abs 6 S 1 BVG anzurechnen. Die Anrechnung der Führzulage nach § 14 BVG ist hingegen rechtswidrig (Festhaltung an LSG Essen vom 16.5.2002 - L 7 V 27/01, vergleiche LSG Essen vom 26.6.2002 - L 19 V 20/01 ).
2. Für eine Nachholung der Anhörung iS von § 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB 10 genügt, dass die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen einer Betroffenen in dem Ausgangsbescheid in einer Weise unterbreitet werden, die sie in die Lage versetzen, diese als entscheidungserheblich zu erkennen und sich zu ihnen sachgerecht zu äußern. Entscheidungserheblich sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, auf die sich also der Beklagte gestützt hat (vgl BSG vom 14.7.1994 - 7 RAr 104/93 = SozR 3-4100 § 117 Nr 11, BSG vom 24.3.1994 - 5 RJ 22/93).
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Auszahlung der Führzulage nach § 14 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG.
Bei der 1926 geb. Klägerin stellte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 09.09.1964 als Schädigungsfolgen
"1. Erblindung beider Augen,
2. Stecksplitter in den seitlichen unteren Brustbandabschnitten rechts; Formveränderung der achten Rippe rechts"
fest.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin u.a. eine Versorgungsgrundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 %, eine Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe 1, eine Ausgleichsrente, eine Pflegezulage nach Stufe III, Berufsschadensausgleich, eine Beihilfe für fremde Führung nach § 14 BVG und einen Pauschbetrag für Kleider- und Wäschemehrverschleiß nach § 15 BVG.
Seit dem 28.04.2000 ist die Klägerin dauernd in einem Pflegeheim untergebracht.
Mit Bescheid vom 22.12.2000 übernahm der Beklagte u.a. auf Antrag der Klägerin unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) die Heimpflegekosten unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge und zahlte nur noch einen Betrag in Höhe der Grundrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten an die Klägerin mit Wirkung ab 28.04.2000 aus.
Gegen die Anrechnung der Zulagen nach §§ 14, 15 BVG auf die Leistungen nach § 35 Abs. 6 BVG legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass diese ihr wegen der Schädigungsfolgen zustehenden Zulagen nicht auf die Leistungen nach § 35 Abs. 6 BVG anzurechnen und damit weiter neben einem Betrag in Höhe der Grundrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten an sie auszuzahlen sind. Sie berief sich auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) und Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NW) zum Verhältnis von Führzulage und Leistungen nach § 35 Abs. 6 BVG. Am 09.07.2001 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, bei der Bestimmung des § 35 Abs. 6 BVG, wonach einer Beschädigten zur Bestreitung ihrer sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Grundrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten zu belassen sei, handele es sich um eine Regelung, mit der die Weitergewährung der Führzulage und der Kleiderverschleißpauschale ausgeschlossen sei.
Mit der am 08.08.2002 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie hat dargelegt, die notwendige Führung einer Blinden sei ebensowenig wie der erhöhte Kleiderverschleiß durch den Pflegesatz abgedeckt und gehöre auch nicht zu den sonstigen Bedürfnissen im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 2 BVG.
Mit Urteil vom 26.04.2002 hat das SG Dortmund den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2001 verurteilt, die Zulagen für fremde Führung (§ 14 BVG) und außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung und Wäsche (§ 15 BVG) ohne Anrechnung auf sonstige Versorgungsleistungen auch während der Zeit dauernder Heimpflege zu gewähren.
§ 35 Abs. 6 Satz 1 BVG in der seit dem 01.04.1995 maßgeblichen Fassung enthalte keinen Einwendungstatbestand, der den Beklagten berechtige, die Führzulage mit der Übernahme der Kosten einer nicht nur vorübergehenden Heimpflege wegen einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu entziehen. Dies ergäbe sich aus der Rechtsprechung des BSG und LSG NW zum Verhältnis von Führzulage und Leistungen nach § 35 Abs. 6 BVG. Die Führzulage nach § 14 BVG stelle eine Sonderleistung für blinde Beschädigte dar, die auch bei der Übernahme der Pflegekosten für stationäre Dauerpflege durch den Versorgungsträger nicht durch Anrechnung nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG entfalle und untergehe. Die Anrechnung der Führzulage nach § 14 BVG auf die Kosten einer Heimpflege sei mit dem Wortlaut, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen. Die in § 35 Abs. 6 BVG geregelte "Betreuung einschließlich notwendiger Pflege" stehe -- auch bei der ambul...